Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Lob; dieser fressende Magensaft ist der thieri¬
sche Leim, der hüpfende Punkt in der weichen
Fluß-Welt und Fließ-Welt. -- Die Affen sind
Genies unter dem Vieh; und die Genies sind
-- nicht bloß vor höhern Wesen, wie Pope von
Newton sagt -- sondern auch hier unten Affen,
im ästhetischen Nachmachen, in der Herzlosig¬
keit, Boßheit, Schadenfreude, Wollust und --
Lustigkeit.

Letztere und Vorletztere beding' ich mir aus.
Gegen die Longueurs im Lebens-Buche, das
kein Mensch versteht, giebts Nichts als einige
lustige Stellen, an die ich nicht mehr denke, so¬
bald ich sie gelesen. Um nur wegzukommen
über das höckerige, kalte Leben, will ich doch
mir lieber Rosenkelche als Dornenreiser unter¬
streuen. Die Freude ist schon Etwas werth, weil
sie Etwas verdrängt, eh' man sich mit schwerem
Haupte niederlegt ins Nichts.

So bin ich; so war ich; da sah ich Dich
und wollte Dein Du werden -- aber es geht
nicht, denn ich kann nicht zurück, aber Du vor¬
wärts, Du wirst mein Ich einmal -- und da
wollt' ich Deine Schwester lieben! Sie ver¬

Lob; dieſer freſſende Magenſaft iſt der thieri¬
ſche Leim, der hüpfende Punkt in der weichen
Fluß-Welt und Fließ-Welt. — Die Affen ſind
Genies unter dem Vieh; und die Genies ſind
— nicht bloß vor höhern Weſen, wie Pope von
Newton ſagt — ſondern auch hier unten Affen,
im äſthetiſchen Nachmachen, in der Herzloſig¬
keit, Boßheit, Schadenfreude, Wolluſt und —
Luſtigkeit.

Letztere und Vorletztere beding' ich mir aus.
Gegen die Longueurs im Lebens-Buche, das
kein Menſch verſteht, giebts Nichts als einige
luſtige Stellen, an die ich nicht mehr denke, ſo¬
bald ich ſie geleſen. Um nur wegzukommen
über das höckerige, kalte Leben, will ich doch
mir lieber Roſenkelche als Dornenreiſer unter¬
ſtreuen. Die Freude iſt ſchon Etwas werth, weil
ſie Etwas verdrängt, eh' man ſich mit ſchwerem
Haupte niederlegt ins Nichts.

So bin ich; ſo war ich; da ſah ich Dich
und wollte Dein Du werden — aber es geht
nicht, denn ich kann nicht zurück, aber Du vor¬
wärts, Du wirſt mein Ich einmal — und da
wollt' ich Deine Schweſter lieben! Sie ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0293" n="281"/>
Lob; die&#x017F;er fre&#x017F;&#x017F;ende Magen&#x017F;aft i&#x017F;t der thieri¬<lb/>
&#x017F;che Leim, der hüpfende Punkt in der weichen<lb/>
Fluß-Welt und Fließ-Welt. &#x2014; Die Affen &#x017F;ind<lb/>
Genies unter dem Vieh; und die Genies &#x017F;ind<lb/>
&#x2014; nicht bloß vor höhern We&#x017F;en, wie Pope von<lb/>
Newton &#x017F;agt &#x2014; &#x017F;ondern auch hier unten Affen,<lb/>
im ä&#x017F;theti&#x017F;chen Nachmachen, in der Herzlo&#x017F;ig¬<lb/>
keit, Boßheit, Schadenfreude, Wollu&#x017F;t und &#x2014;<lb/>
Lu&#x017F;tigkeit.</p><lb/>
          <p>Letztere und Vorletztere beding' ich mir aus.<lb/>
Gegen die <hi rendition="#aq">Longueurs</hi> im Lebens-Buche, das<lb/>
kein Men&#x017F;ch ver&#x017F;teht, giebts Nichts als einige<lb/>
lu&#x017F;tige Stellen, an die ich nicht mehr denke, &#x017F;<lb/>
bald ich &#x017F;ie gele&#x017F;en. Um nur wegzukommen<lb/>
über das höckerige, kalte Leben, will ich doch<lb/>
mir lieber Ro&#x017F;enkelche als Dornenrei&#x017F;er unter¬<lb/>
&#x017F;treuen. Die Freude i&#x017F;t &#x017F;chon Etwas werth, weil<lb/>
&#x017F;ie Etwas verdrängt, eh' man &#x017F;ich mit &#x017F;chwerem<lb/>
Haupte niederlegt ins Nichts.</p><lb/>
          <p>So bin ich; &#x017F;o war ich; da &#x017F;ah ich Dich<lb/>
und wollte Dein Du werden &#x2014; aber es geht<lb/>
nicht, denn ich kann nicht zurück, aber Du vor¬<lb/>
wärts, Du wir&#x017F;t mein Ich einmal &#x2014; und da<lb/><hi rendition="#g">wollt'</hi> ich Deine Schwe&#x017F;ter lieben! Sie ver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0293] Lob; dieſer freſſende Magenſaft iſt der thieri¬ ſche Leim, der hüpfende Punkt in der weichen Fluß-Welt und Fließ-Welt. — Die Affen ſind Genies unter dem Vieh; und die Genies ſind — nicht bloß vor höhern Weſen, wie Pope von Newton ſagt — ſondern auch hier unten Affen, im äſthetiſchen Nachmachen, in der Herzloſig¬ keit, Boßheit, Schadenfreude, Wolluſt und — Luſtigkeit. Letztere und Vorletztere beding' ich mir aus. Gegen die Longueurs im Lebens-Buche, das kein Menſch verſteht, giebts Nichts als einige luſtige Stellen, an die ich nicht mehr denke, ſo¬ bald ich ſie geleſen. Um nur wegzukommen über das höckerige, kalte Leben, will ich doch mir lieber Roſenkelche als Dornenreiſer unter¬ ſtreuen. Die Freude iſt ſchon Etwas werth, weil ſie Etwas verdrängt, eh' man ſich mit ſchwerem Haupte niederlegt ins Nichts. So bin ich; ſo war ich; da ſah ich Dich und wollte Dein Du werden — aber es geht nicht, denn ich kann nicht zurück, aber Du vor¬ wärts, Du wirſt mein Ich einmal — und da wollt' ich Deine Schweſter lieben! Sie ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/293
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/293>, abgerufen am 24.11.2024.