Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

das einige Flammen noch durch den immer
schnellern Wechsel von Vorwürfen und Ver¬
söhnungen aufbläset, so daß beide sich wie elek¬
trische Körper kleine, wechselnd anziehen und
abstoßen. Zuweilen trank er Nichts und fuhr
sie bloß an, zuweilen nahm er sein Glas und
sagte zu ihr: Ich bin der Teufel, Du der En¬
gel. Den größten Stoß gab seiner Liebe sein
Vater durch den Beifall, den er ihr wider Ver¬
hoffen schenkte. Dem Hauptmann war gänz¬
lich so als begeh' er die Silberhochzeit, wenn
er einmal die goldne feiere. Im Dienste der
Liebesgöttin wird man leichter kahl als grau;
er war schon gegen die Silberbraut moralisch-
kahl. Zum Glücke trieb er kurz vor dem Flam¬
mensonntag in Lilar *) alle Vernachlässigungen
und Sünden so weit, daß er am Sonntag im
Stande war, sie zu verfluchen; nur nach Zür¬
nen und Sündigen konnt' er leichter lieben und
beten, wie der kriechende Springkäfer sich nur
aufschnellt, auf den Rücken gekehrt. Es ist wohl

*) Wo Albano zum letztenmale seelig mit Lia¬
nen war.

das einige Flammen noch durch den immer
ſchnellern Wechſel von Vorwürfen und Ver¬
ſöhnungen aufbläſet, ſo daß beide ſich wie elek¬
triſche Körper kleine, wechſelnd anziehen und
abſtoßen. Zuweilen trank er Nichts und fuhr
ſie bloß an, zuweilen nahm er ſein Glas und
ſagte zu ihr: Ich bin der Teufel, Du der En¬
gel. Den größten Stoß gab ſeiner Liebe ſein
Vater durch den Beifall, den er ihr wider Ver¬
hoffen ſchenkte. Dem Hauptmann war gänz¬
lich ſo als begeh' er die Silberhochzeit, wenn
er einmal die goldne feiere. Im Dienſte der
Liebesgöttin wird man leichter kahl als grau;
er war ſchon gegen die Silberbraut moraliſch-
kahl. Zum Glücke trieb er kurz vor dem Flam¬
menſonntag in Lilar *) alle Vernachläſſigungen
und Sünden ſo weit, daß er am Sonntag im
Stande war, ſie zu verfluchen; nur nach Zür¬
nen und Sündigen konnt' er leichter lieben und
beten, wie der kriechende Springkäfer ſich nur
aufſchnellt, auf den Rücken gekehrt. Es iſt wohl

*) Wo Albano zum letztenmale ſeelig mit Lia¬
nen war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0281" n="269"/>
das einige Flammen noch durch den immer<lb/>
&#x017F;chnellern Wech&#x017F;el von Vorwürfen und Ver¬<lb/>
&#x017F;öhnungen aufblä&#x017F;et, &#x017F;o daß beide &#x017F;ich wie elek¬<lb/>
tri&#x017F;che Körper kleine, wech&#x017F;elnd anziehen und<lb/>
ab&#x017F;toßen. Zuweilen trank er Nichts und fuhr<lb/>
&#x017F;ie bloß an, zuweilen nahm er &#x017F;ein Glas und<lb/>
&#x017F;agte zu ihr: Ich bin der Teufel, Du der En¬<lb/>
gel. Den größten Stoß gab &#x017F;einer Liebe &#x017F;ein<lb/>
Vater durch den Beifall, den er ihr wider Ver¬<lb/>
hoffen &#x017F;chenkte. Dem Hauptmann war gänz¬<lb/>
lich &#x017F;o als begeh' er die Silberhochzeit, wenn<lb/>
er einmal die goldne feiere. Im Dien&#x017F;te der<lb/>
Liebesgöttin wird man leichter kahl als grau;<lb/>
er war &#x017F;chon gegen die Silberbraut morali&#x017F;ch-<lb/>
kahl. Zum Glücke trieb er kurz vor dem Flam¬<lb/>
men&#x017F;onntag in Lilar <note place="foot" n="*)">Wo Albano zum letztenmale &#x017F;eelig mit Lia¬<lb/>
nen war.<lb/></note> alle Vernachlä&#x017F;&#x017F;igungen<lb/>
und Sünden &#x017F;o weit, daß er am Sonntag im<lb/>
Stande war, &#x017F;ie zu verfluchen; nur nach Zür¬<lb/>
nen und Sündigen konnt' er leichter lieben und<lb/>
beten, wie der kriechende Springkäfer &#x017F;ich nur<lb/>
auf&#x017F;chnellt, auf den Rücken gekehrt. Es i&#x017F;t wohl<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0281] das einige Flammen noch durch den immer ſchnellern Wechſel von Vorwürfen und Ver¬ ſöhnungen aufbläſet, ſo daß beide ſich wie elek¬ triſche Körper kleine, wechſelnd anziehen und abſtoßen. Zuweilen trank er Nichts und fuhr ſie bloß an, zuweilen nahm er ſein Glas und ſagte zu ihr: Ich bin der Teufel, Du der En¬ gel. Den größten Stoß gab ſeiner Liebe ſein Vater durch den Beifall, den er ihr wider Ver¬ hoffen ſchenkte. Dem Hauptmann war gänz¬ lich ſo als begeh' er die Silberhochzeit, wenn er einmal die goldne feiere. Im Dienſte der Liebesgöttin wird man leichter kahl als grau; er war ſchon gegen die Silberbraut moraliſch- kahl. Zum Glücke trieb er kurz vor dem Flam¬ menſonntag in Lilar *) alle Vernachläſſigungen und Sünden ſo weit, daß er am Sonntag im Stande war, ſie zu verfluchen; nur nach Zür¬ nen und Sündigen konnt' er leichter lieben und beten, wie der kriechende Springkäfer ſich nur aufſchnellt, auf den Rücken gekehrt. Es iſt wohl *) Wo Albano zum letztenmale ſeelig mit Lia¬ nen war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/281
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/281>, abgerufen am 01.06.2024.