viele Amors Pfeile vergiftet wurden, nicht so nahe anbeten sollen; aber sie und ihre meisten Schwestern werden von den männlichen Vor¬ zügen gegen den männlichen Mißbrauch davon verblendet.
Anfangs gieng Manches gut; die reine Un¬ schuld seiner Schwester und seines Freundes warf ein fremdes Zauberlicht auf den widerna¬ türlichen Bund. Das Vorzüglichste war, daß er als Konzertmeister seiner Liebe wenig mehr von Rabetten bedurfte als die -- Ohren; Lieben war bei ihm Sprechen und Handlungen sah er bloß für die Zeichnung unserer Seele, Worte aber für die Farben an. Es giebt eine doppel¬ te Liebe, die der Empfindung, und die des Ge¬ genstandes. -- Jene ist mehr die männliche, sie will den Genuß ihres eignen Daseyns, der fremde Gegenstand ist ihr nur der mikroskopi¬ sche Objekt- oder Subjekt-Träger, worauf sie ihr Ich vergrößert erblickt; sie kann daher leicht die Gegenstände wechseln lassen, wenn nur die Flamme, in die sie als Brennstoff geworfen werden, hoch fortlodert; und durch Thaten, die immer lang, langweilig und be¬
viele Amors Pfeile vergiftet wurden, nicht ſo nahe anbeten ſollen; aber ſie und ihre meiſten Schweſtern werden von den männlichen Vor¬ zügen gegen den männlichen Mißbrauch davon verblendet.
Anfangs gieng Manches gut; die reine Un¬ schuld ſeiner Schweſter und ſeines Freundes warf ein fremdes Zauberlicht auf den widerna¬ türlichen Bund. Das Vorzüglichſte war, daß er als Konzertmeiſter ſeiner Liebe wenig mehr von Rabetten bedurfte als die — Ohren; Lieben war bei ihm Sprechen und Handlungen ſah er bloß für die Zeichnung unſerer Seele, Worte aber für die Farben an. Es giebt eine doppel¬ te Liebe, die der Empfindung, und die des Ge¬ genſtandes. — Jene iſt mehr die männliche, ſie will den Genuß ihres eignen Daſeyns, der fremde Gegenſtand iſt ihr nur der mikroſkopi¬ ſche Objekt- oder Subjekt-Träger, worauf ſie ihr Ich vergrößert erblickt; ſie kann daher leicht die Gegenſtände wechſeln laſſen, wenn nur die Flamme, in die ſie als Brennſtoff geworfen werden, hoch fortlodert; und durch Thaten, die immer lang, langweilig und be¬
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viele Amors Pfeile vergiftet wurden, nicht ſo
nahe anbeten ſollen; aber ſie und ihre meiſten
Schweſtern werden von den männlichen Vor¬
zügen gegen den männlichen Mißbrauch davon
verblendet.
Anfangs gieng Manches gut; die reine Un¬
schuld ſeiner Schweſter und ſeines Freundes
warf ein fremdes Zauberlicht auf den widerna¬
türlichen Bund. Das Vorzüglichſte war, daß
er als Konzertmeiſter ſeiner Liebe wenig mehr
von Rabetten bedurfte als die — Ohren; Lieben
war bei ihm Sprechen und Handlungen ſah er
bloß für die Zeichnung unſerer Seele, Worte
aber für die Farben an. Es giebt eine doppel¬
te Liebe, die der Empfindung, und die des Ge¬
genſtandes. — Jene iſt mehr die männliche,
ſie will den Genuß ihres eignen Daſeyns, der
fremde Gegenſtand iſt ihr nur der mikroſkopi¬
ſche Objekt- oder Subjekt-Träger,
worauf ſie ihr Ich vergrößert erblickt; ſie kann
daher leicht die Gegenſtände wechſeln laſſen,
wenn nur die Flamme, in die ſie als Brennſtoff
geworfen werden, hoch fortlodert; und durch
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/275>, abgerufen am 24.11.2024.
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