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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Froulay. -- "Ja, (sagte sie,) aber ich habe im
"Tempel geschworen zu schweigen, bis Alles die
"Zeit entdeckt. -- Nun bitt' ich Sie nur bei dem
"Allgerechten, mir es zu erlauben, daß ich Ihm
"seine Briefe persönlich wiedergebe und ihm es
"sage, daß ich aufhöre die Seinige zu seyn, aber
"nicht aus Wankelmuth, sondern aus Pflicht;
"-- das bitt' ich, liebe Eltern. -- Dann wallte
"Gott weiter und ich werde Ihnen in Nichts
"mehr ungehorsam seyn."

Der elende Vater durch diesen Sieg auf¬
geblähter, wollte ihr noch die letzte Bitte des
sterbenden Herzens sauer machen und ließ so¬
gar Argwohn über die Absicht der Zusammen¬
kunft blicken; aber die Mutter, in ihrer schö¬
nen Seele von der schönsten ergriffen, trat eif¬
rig und verachtend dazwischen und bejahte es
eigenmächtig. Auch schien Liane das Vater-
Nein wenig zu bemerken. Als er fort war, riß
die Mutter die stille Gestalt seelig-weinend an
sich; aber Liane weinte doch nicht so leicht an
ihr, wie sonst, aus Liebe, es sey, daß ihr Herz
zu erhaben stand oder daß es eben so langsam
in die alte Lage wiederkam, als es aus ihr

Froulay. — „Ja, (ſagte ſie,) aber ich habe im
„Tempel geſchworen zu ſchweigen, bis Alles die
„Zeit entdeckt. — Nun bitt' ich Sie nur bei dem
„Allgerechten, mir es zu erlauben, daß ich Ihm
„ſeine Briefe perſönlich wiedergebe und ihm es
„ſage, daß ich aufhöre die Seinige zu ſeyn, aber
„nicht aus Wankelmuth, ſondern aus Pflicht;
„— das bitt' ich, liebe Eltern. — Dann wallte
„Gott weiter und ich werde Ihnen in Nichts
„mehr ungehorſam ſeyn.“

Der elende Vater durch dieſen Sieg auf¬
geblähter, wollte ihr noch die letzte Bitte des
ſterbenden Herzens ſauer machen und ließ ſo¬
gar Argwohn über die Abſicht der Zuſammen¬
kunft blicken; aber die Mutter, in ihrer ſchö¬
nen Seele von der ſchönſten ergriffen, trat eif¬
rig und verachtend dazwiſchen und bejahte es
eigenmächtig. Auch ſchien Liane das Vater-
Nein wenig zu bemerken. Als er fort war, riß
die Mutter die ſtille Geſtalt ſeelig-weinend an
ſich; aber Liane weinte doch nicht ſo leicht an
ihr, wie ſonſt, aus Liebe, es ſey, daß ihr Herz
zu erhaben ſtand oder daß es eben ſo langſam
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[202/0214] Froulay. — „Ja, (ſagte ſie,) aber ich habe im „Tempel geſchworen zu ſchweigen, bis Alles die „Zeit entdeckt. — Nun bitt' ich Sie nur bei dem „Allgerechten, mir es zu erlauben, daß ich Ihm „ſeine Briefe perſönlich wiedergebe und ihm es „ſage, daß ich aufhöre die Seinige zu ſeyn, aber „nicht aus Wankelmuth, ſondern aus Pflicht; „— das bitt' ich, liebe Eltern. — Dann wallte „Gott weiter und ich werde Ihnen in Nichts „mehr ungehorſam ſeyn.“ Der elende Vater durch dieſen Sieg auf¬ geblähter, wollte ihr noch die letzte Bitte des ſterbenden Herzens ſauer machen und ließ ſo¬ gar Argwohn über die Abſicht der Zuſammen¬ kunft blicken; aber die Mutter, in ihrer ſchö¬ nen Seele von der ſchönſten ergriffen, trat eif¬ rig und verachtend dazwiſchen und bejahte es eigenmächtig. Auch ſchien Liane das Vater- Nein wenig zu bemerken. Als er fort war, riß die Mutter die ſtille Geſtalt ſeelig-weinend an ſich; aber Liane weinte doch nicht ſo leicht an ihr, wie ſonſt, aus Liebe, es ſey, daß ihr Herz zu erhaben ſtand oder daß es eben ſo langſam in die alte Lage wiederkam, als es aus ihr

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/214>, abgerufen am 17.05.2024.