Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

"wo nicht überall Priester und Advokaten mit¬
"spielen? -- Sehen Sie einmal die Hochzeiten
"der Reichsstädter an. Die Deutschen sind hier
"nicht besser und schlimmer als jede Nazion, alte
"und neue, wilde und polirte. Denken Sie
"an Ludwig XIV. Der Mensch ist einmal so;
"aber ich acht' ihn freilich nicht darum."

Der Fürst erinnerte nun an die Stunde
des Einzugs; und die Fürstin rief zu ihrem An¬
zuge für den Einzug mehr Putzjungfern und
Putzkästchen zusammen als Albano nach ihren
Worten oder wir nach ihren Nasenknorpeln --
die geistige Flügelknochen schienen -- hätten er¬
warten sollen. Ihre eiligen Leute folgten ihr
mit mehr Furchtsamkeit als Verehrung des Stan¬
des oder Werthes; und einige, die zuweilen aus
dem Putzzimmer vorbeiliefen, hatten niederge¬
schlagene Gesichter.

Endlich erschien sie wieder, aber viel schö¬
ner. Es muß doch dem männlichsten Weib mehr
reizende Weiblichkeit als wir denken, zugehö¬
ren, da dieses durch den weiblichen Putz gewin¬
net, wodurch der weiblichste Mann nur verlöh¬
re. "Der Stand (sagte sie zu Albano, eine

„wo nicht überall Prieſter und Advokaten mit¬
„ſpielen? — Sehen Sie einmal die Hochzeiten
„der Reichsſtädter an. Die Deutſchen ſind hier
„nicht beſſer und ſchlimmer als jede Nazion, alte
„und neue, wilde und polirte. Denken Sie
„an Ludwig XIV. Der Menſch iſt einmal ſo;
„aber ich acht' ihn freilich nicht darum.“

Der Fürſt erinnerte nun an die Stunde
des Einzugs; und die Fürſtin rief zu ihrem An¬
zuge für den Einzug mehr Putzjungfern und
Putzkäſtchen zuſammen als Albano nach ihren
Worten oder wir nach ihren Naſenknorpeln —
die geiſtige Flügelknochen ſchienen — hätten er¬
warten ſollen. Ihre eiligen Leute folgten ihr
mit mehr Furchtſamkeit als Verehrung des Stan¬
des oder Werthes; und einige, die zuweilen aus
dem Putzzimmer vorbeiliefen, hatten niederge¬
ſchlagene Geſichter.

Endlich erſchien ſie wieder, aber viel ſchö¬
ner. Es muß doch dem männlichſten Weib mehr
reizende Weiblichkeit als wir denken, zugehö¬
ren, da dieſes durch den weiblichen Putz gewin¬
net, wodurch der weiblichſte Mann nur verlöh¬
re. „Der Stand (ſagte ſie zu Albano, eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="157"/>
&#x201E;wo nicht überall Prie&#x017F;ter und Advokaten mit¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;pielen? &#x2014; Sehen Sie einmal die Hochzeiten<lb/>
&#x201E;der Reichs&#x017F;tädter an. Die Deut&#x017F;chen &#x017F;ind hier<lb/>
&#x201E;nicht be&#x017F;&#x017F;er und &#x017F;chlimmer als jede Nazion, alte<lb/>
&#x201E;und neue, wilde und polirte. Denken Sie<lb/>
&#x201E;an Ludwig <hi rendition="#aq">XIV</hi>. Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t einmal &#x017F;o;<lb/>
&#x201E;aber ich acht' ihn freilich nicht darum.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Für&#x017F;t erinnerte nun an die Stunde<lb/>
des Einzugs; und die Für&#x017F;tin rief zu ihrem An¬<lb/>
zuge für den Einzug mehr Putzjungfern und<lb/>
Putzkä&#x017F;tchen zu&#x017F;ammen als Albano nach ihren<lb/>
Worten oder wir nach ihren Na&#x017F;enknorpeln &#x2014;<lb/>
die gei&#x017F;tige Flügelknochen &#x017F;chienen &#x2014; hätten er¬<lb/>
warten &#x017F;ollen. Ihre eiligen Leute folgten ihr<lb/>
mit mehr Furcht&#x017F;amkeit als Verehrung des Stan¬<lb/>
des oder Werthes; und einige, die zuweilen aus<lb/>
dem Putzzimmer vorbeiliefen, hatten niederge¬<lb/>
&#x017F;chlagene Ge&#x017F;ichter.</p><lb/>
          <p>Endlich er&#x017F;chien &#x017F;ie wieder, aber viel &#x017F;chö¬<lb/>
ner. Es muß doch dem männlich&#x017F;ten Weib mehr<lb/>
reizende Weiblichkeit als wir denken, zugehö¬<lb/>
ren, da die&#x017F;es durch den weiblichen Putz gewin¬<lb/>
net, wodurch der weiblich&#x017F;te Mann nur verlöh¬<lb/>
re. &#x201E;Der Stand (&#x017F;agte &#x017F;ie zu Albano, eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0169] „wo nicht überall Prieſter und Advokaten mit¬ „ſpielen? — Sehen Sie einmal die Hochzeiten „der Reichsſtädter an. Die Deutſchen ſind hier „nicht beſſer und ſchlimmer als jede Nazion, alte „und neue, wilde und polirte. Denken Sie „an Ludwig XIV. Der Menſch iſt einmal ſo; „aber ich acht' ihn freilich nicht darum.“ Der Fürſt erinnerte nun an die Stunde des Einzugs; und die Fürſtin rief zu ihrem An¬ zuge für den Einzug mehr Putzjungfern und Putzkäſtchen zuſammen als Albano nach ihren Worten oder wir nach ihren Naſenknorpeln — die geiſtige Flügelknochen ſchienen — hätten er¬ warten ſollen. Ihre eiligen Leute folgten ihr mit mehr Furchtſamkeit als Verehrung des Stan¬ des oder Werthes; und einige, die zuweilen aus dem Putzzimmer vorbeiliefen, hatten niederge¬ ſchlagene Geſichter. Endlich erſchien ſie wieder, aber viel ſchö¬ ner. Es muß doch dem männlichſten Weib mehr reizende Weiblichkeit als wir denken, zugehö¬ ren, da dieſes durch den weiblichen Putz gewin¬ net, wodurch der weiblichſte Mann nur verlöh¬ re. „Der Stand (ſagte ſie zu Albano, eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/169
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/169>, abgerufen am 24.11.2024.