Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

leiden mit dem väterlichen Mißvergnügen. In
der Stille wurd' er am lautesten: "Sie sorgen
"dafür, Madam, (sagt' er,) daß sie morgen
"Vormittags dem Grafen was sie von ihm
"hat sammt dem Abschied schickt, und ihm ihr
"neues Amt als eine leichte Entschuldigung
"notifizirt -- Du wirst Hofdame bei der re¬
"gierenden Fürstin -- ob Du gleich es nicht
"werth warest, daß ich für Dich arbeitete." --

"Das ist hart" rief Liane mit zerbrechen¬
dem Herzen an ihre Mutter fallend. Er glaub¬
te, sie meine die Trennung von Albano, nicht
die von der Mutter; und fragte zornig: war¬
um? -- "Vater, ich will so gern (sagte sie
und wandte nur ihr Angesicht aus der Umar¬
mung) bei meiner Mutter sterben!" Er
lachte, aber die Ministerin machte selber den
Flammen, die er noch wollte herausschlagen
lassen, die Höllenpforte zu, und versicherte ihn,
es sey genug, Liane werde gewiß ihren Eltern
gehorchen, und sie selber wolle dafür Bürge
seyn. Der Gesetzprediger stieg seine Kanzel¬
treppe mit einem vernehmlichen Stoßgebet um
eine bessere Bürgschaft und unter dem Zurück¬

leiden mit dem väterlichen Mißvergnügen. In
der Stille wurd' er am lauteſten: „Sie ſorgen
„dafür, Madam, (ſagt' er,) daß ſie morgen
„Vormittags dem Grafen was ſie von ihm
„hat ſammt dem Abſchied ſchickt, und ihm ihr
„neues Amt als eine leichte Entſchuldigung
„notifizirt — Du wirſt Hofdame bei der re¬
„gierenden Fürſtin — ob Du gleich es nicht
„werth wareſt, daß ich für Dich arbeitete.“ —

„Das iſt hart“ rief Liane mit zerbrechen¬
dem Herzen an ihre Mutter fallend. Er glaub¬
te, ſie meine die Trennung von Albano, nicht
die von der Mutter; und fragte zornig: war¬
um? — „Vater, ich will ſo gern (ſagte ſie
und wandte nur ihr Angeſicht aus der Umar¬
mung) bei meiner Mutter ſterben!“ Er
lachte, aber die Miniſterin machte ſelber den
Flammen, die er noch wollte herausſchlagen
laſſen, die Höllenpforte zu, und verſicherte ihn,
es ſey genug, Liane werde gewiß ihren Eltern
gehorchen, und ſie ſelber wolle dafür Bürge
ſeyn. Der Geſetzprediger ſtieg ſeine Kanzel¬
treppe mit einem vernehmlichen Stoßgebet um
eine beſſere Bürgſchaft und unter dem Zurück¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0128" n="116"/>
leiden mit dem väterlichen Mißvergnügen. In<lb/>
der Stille wurd' er am laute&#x017F;ten: &#x201E;Sie &#x017F;orgen<lb/>
&#x201E;dafür, Madam, (&#x017F;agt' er,) daß &#x017F;ie morgen<lb/>
&#x201E;Vormittags dem Grafen was &#x017F;ie von ihm<lb/>
&#x201E;hat &#x017F;ammt dem Ab&#x017F;chied &#x017F;chickt, und ihm ihr<lb/>
&#x201E;neues Amt als eine leichte Ent&#x017F;chuldigung<lb/>
&#x201E;notifizirt &#x2014; Du wir&#x017F;t Hofdame bei der re¬<lb/>
&#x201E;gierenden Für&#x017F;tin &#x2014; ob Du gleich es nicht<lb/>
&#x201E;werth ware&#x017F;t, daß ich für Dich arbeitete.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das i&#x017F;t hart&#x201C; rief Liane mit zerbrechen¬<lb/>
dem Herzen an ihre Mutter fallend. Er glaub¬<lb/>
te, &#x017F;ie meine die Trennung von Albano, nicht<lb/>
die von der Mutter; und fragte zornig: war¬<lb/>
um? &#x2014; &#x201E;Vater, ich will &#x017F;o gern (&#x017F;agte &#x017F;ie<lb/>
und wandte nur ihr Ange&#x017F;icht aus der Umar¬<lb/>
mung) bei meiner Mutter &#x017F;terben!&#x201C; Er<lb/>
lachte, aber die Mini&#x017F;terin machte &#x017F;elber den<lb/>
Flammen, die er noch wollte heraus&#x017F;chlagen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, die Höllenpforte zu, und ver&#x017F;icherte ihn,<lb/>
es &#x017F;ey genug, Liane werde gewiß ihren Eltern<lb/>
gehorchen, und &#x017F;ie &#x017F;elber wolle dafür Bürge<lb/>
&#x017F;eyn. Der Ge&#x017F;etzprediger &#x017F;tieg &#x017F;eine Kanzel¬<lb/>
treppe mit einem vernehmlichen Stoßgebet um<lb/>
eine be&#x017F;&#x017F;ere Bürg&#x017F;chaft und unter dem Zurück¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0128] leiden mit dem väterlichen Mißvergnügen. In der Stille wurd' er am lauteſten: „Sie ſorgen „dafür, Madam, (ſagt' er,) daß ſie morgen „Vormittags dem Grafen was ſie von ihm „hat ſammt dem Abſchied ſchickt, und ihm ihr „neues Amt als eine leichte Entſchuldigung „notifizirt — Du wirſt Hofdame bei der re¬ „gierenden Fürſtin — ob Du gleich es nicht „werth wareſt, daß ich für Dich arbeitete.“ — „Das iſt hart“ rief Liane mit zerbrechen¬ dem Herzen an ihre Mutter fallend. Er glaub¬ te, ſie meine die Trennung von Albano, nicht die von der Mutter; und fragte zornig: war¬ um? — „Vater, ich will ſo gern (ſagte ſie und wandte nur ihr Angeſicht aus der Umar¬ mung) bei meiner Mutter ſterben!“ Er lachte, aber die Miniſterin machte ſelber den Flammen, die er noch wollte herausſchlagen laſſen, die Höllenpforte zu, und verſicherte ihn, es ſey genug, Liane werde gewiß ihren Eltern gehorchen, und ſie ſelber wolle dafür Bürge ſeyn. Der Geſetzprediger ſtieg ſeine Kanzel¬ treppe mit einem vernehmlichen Stoßgebet um eine beſſere Bürgſchaft und unter dem Zurück¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/128
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/128>, abgerufen am 18.05.2024.