von sinnlicher Liebe bleibt er von sentimentali¬ scher und weinerlicher, zumal da er besorgt, daß diese ihn am Ende in jene verflechte, weil sie wie ein Mollton eine ganz andere Tonleiter hat rückwärts als hinaufwärtssteigend. Das Ironische und Stachliche am Mann machte ihm wie andern Weltleuten jede Vermählung -- auch die der Seelen -- am Ende so sauer als den Igeln die Stacheln die ihrige. Er hebt also in Zukunft für die Fürstin nur eine kalte, politische, kokette, höfliche Liebe auf, wie sie wol selber hat und wie er braucht, um weniger sie als von ihr zu erobern, und zuerst den ganzen Fürsten. Ich verspreche mir Welt- Leser, die hoffentlich keine Beleidigung für die¬ sen in Froulays Neigung für jene finden; denn sobald nur einmal der Hofprediger die kopu¬ lirende Hand auf die Fürstin gelegt, so hat dieser Haushofmeister gleichsam den Schnitt *)
*) Bekanntlich wird ein Schnitt in einen ganzge¬ bliebnen Vogel etc. zum Zeichen gemacht, daß er auf der fürstlichen Tafel gewesen, damit er nicht wieder aufgesetzt werde, sondern sonst genossen.
von ſinnlicher Liebe bleibt er von ſentimentali¬ ſcher und weinerlicher, zumal da er beſorgt, daß dieſe ihn am Ende in jene verflechte, weil ſie wie ein Mollton eine ganz andere Tonleiter hat rückwärts als hinaufwärtsſteigend. Das Ironiſche und Stachliche am Mann machte ihm wie andern Weltleuten jede Vermählung — auch die der Seelen — am Ende ſo ſauer als den Igeln die Stacheln die ihrige. Er hebt alſo in Zukunft für die Fürſtin nur eine kalte, politiſche, kokette, höfliche Liebe auf, wie ſie wol ſelber hat und wie er braucht, um weniger ſie als von ihr zu erobern, und zuerſt den ganzen Fürſten. Ich verſpreche mir Welt- Leſer, die hoffentlich keine Beleidigung für die¬ ſen in Froulays Neigung für jene finden; denn ſobald nur einmal der Hofprediger die kopu¬ lirende Hand auf die Fürſtin gelegt, ſo hat dieſer Haushofmeiſter gleichſam den Schnitt *)
*) Bekanntlich wird ein Schnitt in einen ganzge¬ bliebnen Vogel ꝛc. zum Zeichen gemacht, daß er auf der fürſtlichen Tafel geweſen, damit er nicht wieder aufgeſetzt werde, ſondern ſonſt genoſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0110"n="98"/>
von ſinnlicher Liebe bleibt er von ſentimentali¬<lb/>ſcher und weinerlicher, zumal da er beſorgt,<lb/>
daß dieſe ihn am Ende in jene verflechte, weil<lb/>ſie wie ein Mollton eine ganz andere Tonleiter<lb/>
hat rückwärts als hinaufwärtsſteigend. Das<lb/>
Ironiſche und Stachliche am Mann machte<lb/>
ihm wie andern Weltleuten jede Vermählung<lb/>— auch die der Seelen — am Ende ſo ſauer<lb/>
als den Igeln die Stacheln die ihrige. Er<lb/>
hebt alſo in Zukunft für die Fürſtin nur eine<lb/>
kalte, politiſche, kokette, höfliche Liebe auf, wie<lb/>ſie wol ſelber hat und wie er braucht, um<lb/>
weniger ſie als von ihr zu erobern, und zuerſt<lb/>
den ganzen Fürſten. Ich verſpreche mir Welt-<lb/>
Leſer, die hoffentlich keine Beleidigung für die¬<lb/>ſen in Froulays Neigung für jene finden; denn<lb/>ſobald nur einmal der Hofprediger die kopu¬<lb/>
lirende Hand auf die Fürſtin gelegt, ſo hat<lb/>
dieſer Haushofmeiſter gleichſam den Schnitt <noteplace="foot"n="*)">Bekanntlich wird ein Schnitt in einen ganzge¬<lb/>
bliebnen Vogel ꝛc. zum Zeichen gemacht, daß er<lb/>
auf der fürſtlichen Tafel geweſen, damit er nicht<lb/>
wieder aufgeſetzt werde, ſondern ſonſt genoſſen.<lb/></note><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[98/0110]
von ſinnlicher Liebe bleibt er von ſentimentali¬
ſcher und weinerlicher, zumal da er beſorgt,
daß dieſe ihn am Ende in jene verflechte, weil
ſie wie ein Mollton eine ganz andere Tonleiter
hat rückwärts als hinaufwärtsſteigend. Das
Ironiſche und Stachliche am Mann machte
ihm wie andern Weltleuten jede Vermählung
— auch die der Seelen — am Ende ſo ſauer
als den Igeln die Stacheln die ihrige. Er
hebt alſo in Zukunft für die Fürſtin nur eine
kalte, politiſche, kokette, höfliche Liebe auf, wie
ſie wol ſelber hat und wie er braucht, um
weniger ſie als von ihr zu erobern, und zuerſt
den ganzen Fürſten. Ich verſpreche mir Welt-
Leſer, die hoffentlich keine Beleidigung für die¬
ſen in Froulays Neigung für jene finden; denn
ſobald nur einmal der Hofprediger die kopu¬
lirende Hand auf die Fürſtin gelegt, ſo hat
dieſer Haushofmeiſter gleichſam den Schnitt *)
*) Bekanntlich wird ein Schnitt in einen ganzge¬
bliebnen Vogel ꝛc. zum Zeichen gemacht, daß er
auf der fürſtlichen Tafel geweſen, damit er nicht
wieder aufgeſetzt werde, ſondern ſonſt genoſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/110>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.