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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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Brust, sein Herz schlug wild und er sagte: "O
"Bruder, bleibe stets mein Freund!"

Sie giengen hinab. Im Zimmer, das an
Lianens ihres stieß, fanden sie ihr Pianoforte
offen. Wahrlich das wars, was dem Grafen
fehlte. In der Leidenschaft (sogar im bloßen
Feuer des Kopfes) greift man weniger nach
der Feder als nach der Saite; und nur in
ihr gelingt das musikalische Phantasiren besser,
als das poetische, Albano setzte sich -- indem
er dem Tonmuse dankte, daß es vier und vier¬
zig Ausweichungen gebe -- mit dem Vorhaben
an die Tasten, nun eine musikalische Feuer¬
trommel zu rühren und wie ein Sturm in die
stille Asche zu brausen und ein helles Funken-
Heer von Tönen aufzujagen. -- Er thats auch,
und gut genug und immer besser; aber das
Instrument sträubte sich. Es war für eine
weibliche Hand gebauet und wollte nur in
weiblichen Tönen, mit Lauten-Klagen reden
als eine Freundin mit einer Freundin.

Karl hatt' ihn nie so spielen gehört und
erstaunte über die Fülle. Aber die Ursache war,
der Lektor war nicht da; vor gewissen Men¬

Bruſt, ſein Herz ſchlug wild und er ſagte: „O
„Bruder, bleibe ſtets mein Freund!“

Sie giengen hinab. Im Zimmer, das an
Lianens ihres ſtieß, fanden ſie ihr Pianoforte
offen. Wahrlich das wars, was dem Grafen
fehlte. In der Leidenſchaft (ſogar im bloßen
Feuer des Kopfes) greift man weniger nach
der Feder als nach der Saite; und nur in
ihr gelingt das muſikaliſche Phantaſiren beſſer,
als das poetiſche, Albano ſetzte ſich — indem
er dem Tonmuſe dankte, daß es vier und vier¬
zig Ausweichungen gebe — mit dem Vorhaben
an die Taſten, nun eine muſikaliſche Feuer¬
trommel zu rühren und wie ein Sturm in die
ſtille Aſche zu brauſen und ein helles Funken-
Heer von Tönen aufzujagen. — Er thats auch,
und gut genug und immer beſſer; aber das
Inſtrument ſträubte ſich. Es war für eine
weibliche Hand gebauet und wollte nur in
weiblichen Tönen, mit Lauten-Klagen reden
als eine Freundin mit einer Freundin.

Karl hatt' ihn nie ſo ſpielen gehört und
erſtaunte über die Fülle. Aber die Urſache war,
der Lektor war nicht da; vor gewiſſen Men¬

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[61/0069] Bruſt, ſein Herz ſchlug wild und er ſagte: „O „Bruder, bleibe ſtets mein Freund!“ Sie giengen hinab. Im Zimmer, das an Lianens ihres ſtieß, fanden ſie ihr Pianoforte offen. Wahrlich das wars, was dem Grafen fehlte. In der Leidenſchaft (ſogar im bloßen Feuer des Kopfes) greift man weniger nach der Feder als nach der Saite; und nur in ihr gelingt das muſikaliſche Phantaſiren beſſer, als das poetiſche, Albano ſetzte ſich — indem er dem Tonmuſe dankte, daß es vier und vier¬ zig Ausweichungen gebe — mit dem Vorhaben an die Taſten, nun eine muſikaliſche Feuer¬ trommel zu rühren und wie ein Sturm in die ſtille Aſche zu brauſen und ein helles Funken- Heer von Tönen aufzujagen. — Er thats auch, und gut genug und immer beſſer; aber das Inſtrument ſträubte ſich. Es war für eine weibliche Hand gebauet und wollte nur in weiblichen Tönen, mit Lauten-Klagen reden als eine Freundin mit einer Freundin. Karl hatt' ihn nie ſo ſpielen gehört und erſtaunte über die Fülle. Aber die Urſache war, der Lektor war nicht da; vor gewiſſen Men¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/69>, abgerufen am 22.11.2024.