Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

zögernde Sonne an. -- -- Aber die Mutter
schlug dem fragenden Blicke Lianens den Son¬
nenuntergang ab, -- -- "des ungesunden Se¬
rein
wegen*)". Albano mit dem Herzen voll
Männerblut fand diesen mütterlichen Verhack
um die kindliche Gesundheit sehr klein.

Der Thorschluß seines heutigen Edens hätte
sich nun in der nächsten Minute eingeläutet,
wäre -- der Hauptmann und der cereus ser¬
pens
nicht gewesen.

Jener kam vom welschen Dache herab ge¬
laufen und verkündigte, der cereus blühe die¬
sen Abend um zehn Uhr auf, sage der Gärt¬
ner, und er bleibe da, "und du mit" sagt' er
zu Albano. Alles, was nur die doppelten
Gränzen der schonenden Zartheit gegen Schwe¬
ster und Freund zuließen, setzt' er liebend ins
Spiel um diesen zu erfreuen. Liane bat ihn sel¬
ber, das Blühen abzuwarten; sie war so ent¬
zückt über das nahe! -- Ihre Seele hieng, wie
Bienen und Thau, an Blumen. Schon ihr

*) Die Zeit des Sonnenuntergangs, welche die
südlichen Länder so sehr fliehen.

zögernde Sonne an. — — Aber die Mutter
ſchlug dem fragenden Blicke Lianens den Son¬
nenuntergang ab, — — „des ungeſunden Se¬
rein
wegen*)“. Albano mit dem Herzen voll
Männerblut fand dieſen mütterlichen Verhack
um die kindliche Geſundheit ſehr klein.

Der Thorſchluß ſeines heutigen Edens hätte
ſich nun in der nächſten Minute eingeläutet,
wäre — der Hauptmann und der cereus ser¬
pens
nicht geweſen.

Jener kam vom welſchen Dache herab ge¬
laufen und verkündigte, der cereus blühe die¬
ſen Abend um zehn Uhr auf, ſage der Gärt¬
ner, und er bleibe da, „und du mit“ ſagt' er
zu Albano. Alles, was nur die doppelten
Gränzen der ſchonenden Zartheit gegen Schwe¬
ſter und Freund zuließen, ſetzt' er liebend ins
Spiel um dieſen zu erfreuen. Liane bat ihn ſel¬
ber, das Blühen abzuwarten; ſie war ſo ent¬
zückt über das nahe! — Ihre Seele hieng, wie
Bienen und Thau, an Blumen. Schon ihr

*) Die Zeit des Sonnenuntergangs, welche die
ſüdlichen Länder ſo ſehr fliehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="53"/>
zögernde Sonne an. &#x2014; &#x2014; Aber die Mutter<lb/>
&#x017F;chlug dem fragenden Blicke Lianens den Son¬<lb/>
nenuntergang ab, &#x2014; &#x2014; &#x201E;des unge&#x017F;unden <hi rendition="#aq">Se¬<lb/>
rein</hi> wegen<note place="foot" n="*)"><lb/>
Die Zeit des Sonnenuntergangs, welche die<lb/>
&#x017F;üdlichen Länder &#x017F;o &#x017F;ehr fliehen.</note>&#x201C;. Albano mit dem Herzen voll<lb/>
Männerblut fand die&#x017F;en mütterlichen Verhack<lb/>
um die kindliche Ge&#x017F;undheit &#x017F;ehr klein.</p><lb/>
          <p>Der Thor&#x017F;chluß &#x017F;eines heutigen Edens hätte<lb/>
&#x017F;ich nun in der näch&#x017F;ten Minute eingeläutet,<lb/>
wäre &#x2014; der Hauptmann und der <hi rendition="#aq">cereus ser¬<lb/>
pens</hi> nicht gewe&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Jener kam vom wel&#x017F;chen Dache herab ge¬<lb/>
laufen und verkündigte, der <hi rendition="#aq">cereus</hi> blühe die¬<lb/>
&#x017F;en Abend um zehn Uhr auf, &#x017F;age der Gärt¬<lb/>
ner, und er bleibe da, &#x201E;und du mit&#x201C; &#x017F;agt' er<lb/>
zu Albano. Alles, was nur die doppelten<lb/>
Gränzen der &#x017F;chonenden Zartheit gegen Schwe¬<lb/>
&#x017F;ter und Freund zuließen, &#x017F;etzt' er liebend ins<lb/>
Spiel um die&#x017F;en zu erfreuen. Liane bat ihn &#x017F;el¬<lb/>
ber, das Blühen abzuwarten; &#x017F;ie war &#x017F;o ent¬<lb/>
zückt über das nahe! &#x2014; Ihre Seele hieng, wie<lb/>
Bienen und Thau, an Blumen. Schon ihr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0061] zögernde Sonne an. — — Aber die Mutter ſchlug dem fragenden Blicke Lianens den Son¬ nenuntergang ab, — — „des ungeſunden Se¬ rein wegen *)“. Albano mit dem Herzen voll Männerblut fand dieſen mütterlichen Verhack um die kindliche Geſundheit ſehr klein. Der Thorſchluß ſeines heutigen Edens hätte ſich nun in der nächſten Minute eingeläutet, wäre — der Hauptmann und der cereus ser¬ pens nicht geweſen. Jener kam vom welſchen Dache herab ge¬ laufen und verkündigte, der cereus blühe die¬ ſen Abend um zehn Uhr auf, ſage der Gärt¬ ner, und er bleibe da, „und du mit“ ſagt' er zu Albano. Alles, was nur die doppelten Gränzen der ſchonenden Zartheit gegen Schwe¬ ſter und Freund zuließen, ſetzt' er liebend ins Spiel um dieſen zu erfreuen. Liane bat ihn ſel¬ ber, das Blühen abzuwarten; ſie war ſo ent¬ zückt über das nahe! — Ihre Seele hieng, wie Bienen und Thau, an Blumen. Schon ihr *) Die Zeit des Sonnenuntergangs, welche die ſüdlichen Länder ſo ſehr fliehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/61
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/61>, abgerufen am 02.05.2024.