Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
55. Zykel.

Sie stiegen in Ratto's italienischen Keller
hinunter. Das Haus kam anfangs nach dem
Anblicke der weiten Natur dem Grafen wie
ein Felsenstück darüber gewälzt vor -- wiewohl
ja jedes Stockwerk unter architektonischen Lasten
liegt --, aber das schwere Gefühl des unterir¬
dischen Zwingers vergas sich bald und sonder¬
bar klang in die welsche Grube das hohe Ras¬
seln der Wagen herein. Der Hauptmann be¬
stellte einen Punch royal -- -- Wenn er so
fortfährt in seiner guten Feuerordnung und im¬
mer ein volles Gefäß im Hause hat als Lösch¬
anstalt und die Schlangenspritzen probirt: so
kann mein Buch nie der Vorwurf treffen,
daß man darin wie im Grandison zuviel Thee
konsumire, eher zuviel starkes Getränk geht
auf.

Schoppe saß im welschen Souterain. Er
liebte den Hauptmann nicht, weil sein unver¬
söhnliches Auge an ihm zwei ihm herzlich un¬
leidliche Fehler auswitterte, "das chronische Ge¬
schwür der Eitelkeit und ein unheiliges Schlem¬
men und Prassen in Gefühlen." Karl gab die

55. Zykel.

Sie ſtiegen in Ratto's italieniſchen Keller
hinunter. Das Haus kam anfangs nach dem
Anblicke der weiten Natur dem Grafen wie
ein Felſenſtück darüber gewälzt vor — wiewohl
ja jedes Stockwerk unter architektoniſchen Laſten
liegt —, aber das ſchwere Gefühl des unterir¬
diſchen Zwingers vergas ſich bald und ſonder¬
bar klang in die welſche Grube das hohe Raſ¬
ſeln der Wagen herein. Der Hauptmann be¬
ſtellte einen Punch royal — — Wenn er ſo
fortfährt in ſeiner guten Feuerordnung und im¬
mer ein volles Gefäß im Hauſe hat als Löſch¬
anſtalt und die Schlangenſpritzen probirt: ſo
kann mein Buch nie der Vorwurf treffen,
daß man darin wie im Grandiſon zuviel Thee
konſumire, eher zuviel ſtarkes Getränk geht
auf.

Schoppe ſaß im welſchen Souterain. Er
liebte den Hauptmann nicht, weil ſein unver¬
ſöhnliches Auge an ihm zwei ihm herzlich un¬
leidliche Fehler auswitterte, „das chroniſche Ge¬
ſchwür der Eitelkeit und ein unheiliges Schlem¬
men und Praſſen in Gefühlen.“ Karl gab die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0031" n="23"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>55. <hi rendition="#g">Zykel.</hi><lb/></head>
          <p>Sie &#x017F;tiegen in Ratto's italieni&#x017F;chen Keller<lb/>
hinunter. Das Haus kam anfangs nach dem<lb/>
Anblicke der weiten Natur dem Grafen wie<lb/>
ein Fel&#x017F;en&#x017F;tück darüber gewälzt vor &#x2014; wiewohl<lb/>
ja jedes Stockwerk unter architektoni&#x017F;chen La&#x017F;ten<lb/>
liegt &#x2014;, aber das &#x017F;chwere Gefühl des unterir¬<lb/>
di&#x017F;chen Zwingers vergas &#x017F;ich bald und &#x017F;onder¬<lb/>
bar klang in die wel&#x017F;che Grube das hohe Ra&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;eln der Wagen herein. Der Hauptmann be¬<lb/>
&#x017F;tellte einen <hi rendition="#aq">Punch royal</hi> &#x2014; &#x2014; Wenn er &#x017F;o<lb/>
fortfährt in &#x017F;einer guten Feuerordnung und im¬<lb/>
mer ein volles Gefäß im Hau&#x017F;e hat als Lö&#x017F;ch¬<lb/>
an&#x017F;talt und die Schlangen&#x017F;pritzen probirt: &#x017F;o<lb/>
kann mein Buch nie der Vorwurf treffen,<lb/>
daß man darin wie im Grandi&#x017F;on zuviel Thee<lb/>
kon&#x017F;umire, eher zuviel &#x017F;tarkes Getränk geht<lb/>
auf.</p><lb/>
          <p>Schoppe &#x017F;aß im wel&#x017F;chen Souterain. Er<lb/>
liebte den Hauptmann nicht, weil &#x017F;ein unver¬<lb/>
&#x017F;öhnliches Auge an ihm zwei ihm herzlich un¬<lb/>
leidliche Fehler auswitterte, &#x201E;das chroni&#x017F;che Ge¬<lb/>
&#x017F;chwür der Eitelkeit und ein unheiliges Schlem¬<lb/>
men und Pra&#x017F;&#x017F;en in Gefühlen.&#x201C; Karl gab die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0031] 55. Zykel. Sie ſtiegen in Ratto's italieniſchen Keller hinunter. Das Haus kam anfangs nach dem Anblicke der weiten Natur dem Grafen wie ein Felſenſtück darüber gewälzt vor — wiewohl ja jedes Stockwerk unter architektoniſchen Laſten liegt —, aber das ſchwere Gefühl des unterir¬ diſchen Zwingers vergas ſich bald und ſonder¬ bar klang in die welſche Grube das hohe Raſ¬ ſeln der Wagen herein. Der Hauptmann be¬ ſtellte einen Punch royal — — Wenn er ſo fortfährt in ſeiner guten Feuerordnung und im¬ mer ein volles Gefäß im Hauſe hat als Löſch¬ anſtalt und die Schlangenſpritzen probirt: ſo kann mein Buch nie der Vorwurf treffen, daß man darin wie im Grandiſon zuviel Thee konſumire, eher zuviel ſtarkes Getränk geht auf. Schoppe ſaß im welſchen Souterain. Er liebte den Hauptmann nicht, weil ſein unver¬ ſöhnliches Auge an ihm zwei ihm herzlich un¬ leidliche Fehler auswitterte, „das chroniſche Ge¬ ſchwür der Eitelkeit und ein unheiliges Schlem¬ men und Praſſen in Gefühlen.“ Karl gab die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/31
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/31>, abgerufen am 16.04.2024.