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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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bano nahm die Hand seiner Schwester, aber er
hörte mühsam auf ihre Berichte vom Hause.
Liane gieng mit der Prinzessin weit voraus
und labte sich am offnen Himmel der Vertrau¬
lichkeit.

Plötzlich stand Julienne mit ihr scherzend
still, um den Grafen heranzulassen und zu fra¬
gen nach Briefen von Don Gaspard und nach
Nachrichten von der Gräfin Romeiro. Er
theilte mit erglühendem Gesicht den Inhalt des
heutigen mit. In Juliennens Physiognomie
lächelte fast Neckerei. Auf die Nachricht von
Linda's Reise versetzte sie: "daran erkenn' ich
"sie: alles will sie lernen -- alles bereisen. -- Ich
"parire, sie steigt auf den Montblanc und in
"den Vesuv. Liane und ich nennen sie darum
"die Titanide." Wie freundlich hörte diese zu,
mit den Augen ganz auf der Freundinn! "Sie
"kennen sie nicht?" fragte sie den Gepeinig¬
ten. Er verneinte heftig. Roquairol kam nach;
"passes, Monsieur," sagte sie Platz machend
und ihn fortwinkend. Liane blickte sehr ernst
nach. "La voici!" sagte Julienne, indem sie
an einem Ringe ihrer kleinen Hand durch einen

bano nahm die Hand ſeiner Schweſter, aber er
hörte mühſam auf ihre Berichte vom Hauſe.
Liane gieng mit der Prinzeſſin weit voraus
und labte ſich am offnen Himmel der Vertrau¬
lichkeit.

Plötzlich ſtand Julienne mit ihr ſcherzend
ſtill, um den Grafen heranzulaſſen und zu fra¬
gen nach Briefen von Don Gaſpard und nach
Nachrichten von der Gräfin Romeiro. Er
theilte mit erglühendem Geſicht den Inhalt des
heutigen mit. In Juliennens Phyſiognomie
lächelte faſt Neckerei. Auf die Nachricht von
Linda's Reiſe verſetzte ſie: „daran erkenn' ich
„ſie: alles will ſie lernen — alles bereiſen. — Ich
„parire, ſie ſteigt auf den Montblanc und in
„den Veſuv. Liane und ich nennen ſie darum
„die Titanide.“ Wie freundlich hörte dieſe zu,
mit den Augen ganz auf der Freundinn! „Sie
„kennen ſie nicht?“ fragte ſie den Gepeinig¬
ten. Er verneinte heftig. Roquairol kam nach;
passés, Monsieur,“ ſagte ſie Platz machend
und ihn fortwinkend. Liane blickte ſehr ernſt
nach. „La voici!“ ſagte Julienne, indem ſie
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[101/0109] bano nahm die Hand ſeiner Schweſter, aber er hörte mühſam auf ihre Berichte vom Hauſe. Liane gieng mit der Prinzeſſin weit voraus und labte ſich am offnen Himmel der Vertrau¬ lichkeit. Plötzlich ſtand Julienne mit ihr ſcherzend ſtill, um den Grafen heranzulaſſen und zu fra¬ gen nach Briefen von Don Gaſpard und nach Nachrichten von der Gräfin Romeiro. Er theilte mit erglühendem Geſicht den Inhalt des heutigen mit. In Juliennens Phyſiognomie lächelte faſt Neckerei. Auf die Nachricht von Linda's Reiſe verſetzte ſie: „daran erkenn' ich „ſie: alles will ſie lernen — alles bereiſen. — Ich „parire, ſie ſteigt auf den Montblanc und in „den Veſuv. Liane und ich nennen ſie darum „die Titanide.“ Wie freundlich hörte dieſe zu, mit den Augen ganz auf der Freundinn! „Sie „kennen ſie nicht?“ fragte ſie den Gepeinig¬ ten. Er verneinte heftig. Roquairol kam nach; „passés, Monsieur,“ ſagte ſie Platz machend und ihn fortwinkend. Liane blickte ſehr ernſt nach. „La voici!“ ſagte Julienne, indem ſie an einem Ringe ihrer kleinen Hand durch einen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/109>, abgerufen am 06.05.2024.