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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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Sticknadel zwar keine Zier- und Anfangsbuch¬
staben, aber doch eine gute Kurrenthand.

Sie gab -- das Gesicht gegen das brüder¬
liche gewandt, um Muth davon zu holen --
von dem gefährlichen Wege und Umwerfen ei¬
nen deutlichen Bericht und lachte dabei, nach
der Sitte des Volks, wenn es sein Unglück er¬
zählt. Der Bruder war ihr auf Kosten der
Gesellschaft selber die Gesellschaft und die Welt;
nach ihm allein strömte ihre Wärme und Rede
hin. Sie sagte: sie könn' ihn aus ihrer
Stube "klavieren" sehen. Liane führte beide
sofort darein. Wie reich und erhaben über Ra¬
bettens Ansprüche ans Stadtleben war das
jungfräuliche Hospitium ausgestattet, von der
Tulpe an -- keiner blühenden, sondern einem
Arbeitskörbchen von Liane, wiewohl jede Tulpe
eines für den Frühling ist -- bis zum Klavier,
von dem sie gegenwärtig freilich nicht mehr
verbrauchen kann als sieben Diskanttasten für
einen halben Walzer! Fünf mäßige Kleider¬
kästen -- denn damit glaubte sie auszukom¬
men und der Stadt zu zeigen, daß auch das
Land sich kleiden könne -- stellten ihm in ihren

Sticknadel zwar keine Zier- und Anfangsbuch¬
ſtaben, aber doch eine gute Kurrenthand.

Sie gab — das Geſicht gegen das brüder¬
liche gewandt, um Muth davon zu holen —
von dem gefährlichen Wege und Umwerfen ei¬
nen deutlichen Bericht und lachte dabei, nach
der Sitte des Volks, wenn es ſein Unglück er¬
zählt. Der Bruder war ihr auf Koſten der
Geſellſchaft ſelber die Geſellſchaft und die Welt;
nach ihm allein ſtrömte ihre Wärme und Rede
hin. Sie ſagte: ſie könn' ihn aus ihrer
Stube „klavieren“ ſehen. Liane führte beide
ſofort darein. Wie reich und erhaben über Ra¬
bettens Anſprüche ans Stadtleben war das
jungfräuliche Hoſpitium ausgeſtattet, von der
Tulpe an — keiner blühenden, ſondern einem
Arbeitskörbchen von Liane, wiewohl jede Tulpe
eines für den Frühling iſt — bis zum Klavier,
von dem ſie gegenwärtig freilich nicht mehr
verbrauchen kann als ſieben Diskanttaſten für
einen halben Walzer! Fünf mäßige Kleider¬
käſten — denn damit glaubte ſie auszukom¬
men und der Stadt zu zeigen, daß auch das
Land ſich kleiden könne — ſtellten ihm in ihren

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[98/0106] Sticknadel zwar keine Zier- und Anfangsbuch¬ ſtaben, aber doch eine gute Kurrenthand. Sie gab — das Geſicht gegen das brüder¬ liche gewandt, um Muth davon zu holen — von dem gefährlichen Wege und Umwerfen ei¬ nen deutlichen Bericht und lachte dabei, nach der Sitte des Volks, wenn es ſein Unglück er¬ zählt. Der Bruder war ihr auf Koſten der Geſellſchaft ſelber die Geſellſchaft und die Welt; nach ihm allein ſtrömte ihre Wärme und Rede hin. Sie ſagte: ſie könn' ihn aus ihrer Stube „klavieren“ ſehen. Liane führte beide ſofort darein. Wie reich und erhaben über Ra¬ bettens Anſprüche ans Stadtleben war das jungfräuliche Hoſpitium ausgeſtattet, von der Tulpe an — keiner blühenden, ſondern einem Arbeitskörbchen von Liane, wiewohl jede Tulpe eines für den Frühling iſt — bis zum Klavier, von dem ſie gegenwärtig freilich nicht mehr verbrauchen kann als ſieben Diskanttaſten für einen halben Walzer! Fünf mäßige Kleider¬ käſten — denn damit glaubte ſie auszukom¬ men und der Stadt zu zeigen, daß auch das Land ſich kleiden könne — ſtellten ihm in ihren

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/106>, abgerufen am 21.11.2024.