"dir:" Der Mönch fragte: "ist der Abendstern "schon hinunter? Spricht es mit dir?" -- Ze¬ sara blickte in die Höhe und konnte nicht ant¬ worten; die Stimme aus dem Himmel sprach wieder und dasselbe. Der Mönch errieth es und sagte: "So hat dein Vater deine Mutter "aus der Höhe gehöret, als er in Deutschland "war; aber er ließ mich lange in Fesseln le¬ "gen, weil er dachte, ich täusche ihn." -- Beim Worte "Vater," dessen Geisterunglauben Zesa¬ ra kannte, riß er den Mönch an den beiden Händen mit der festhaltenden starken die Ter¬ rassen hinunter, um zu hören, wo jetzt die Stimme stehe. Der Alte lächelte sanft, die Stimme sprach wieder über ihm, aber so: "liebe "die Schöne, liebe die Schöne, ich helfe dir. -- Am Ufer hieng ein Fahrzeug, das er am Tage schon gesehen. Der Mönch, der ihm ver¬ muthlich den Argwohn einer irgendwo verbor¬ genen Stimme nehmen wollte, stieg in die Gondel und winkte ihm nachzufolgen. Der Jüngling im Vertrauen auf seine körperliche und geistige Macht, und auf seine Schwimm¬ kunst, entfernte sich mit dem Mönche kühn von
„dir:“ Der Mönch fragte: „iſt der Abendſtern „ſchon hinunter? Spricht es mit dir?“ — Ze¬ ſara blickte in die Höhe und konnte nicht ant¬ worten; die Stimme aus dem Himmel ſprach wieder und daſſelbe. Der Mönch errieth es und ſagte: „So hat dein Vater deine Mutter „aus der Höhe gehöret, als er in Deutſchland „war; aber er ließ mich lange in Feſſeln le¬ „gen, weil er dachte, ich täuſche ihn.“ — Beim Worte „Vater,“ deſſen Geiſterunglauben Zeſa¬ ra kannte, riß er den Mönch an den beiden Händen mit der feſthaltenden ſtarken die Ter¬ raſſen hinunter, um zu hören, wo jetzt die Stimme ſtehe. Der Alte lächelte ſanft, die Stimme ſprach wieder über ihm, aber ſo: „liebe „die Schöne, liebe die Schöne, ich helfe dir. — Am Ufer hieng ein Fahrzeug, das er am Tage ſchon geſehen. Der Mönch, der ihm ver¬ muthlich den Argwohn einer irgendwo verbor¬ genen Stimme nehmen wollte, ſtieg in die Gondel und winkte ihm nachzufolgen. Der Jüngling im Vertrauen auf ſeine körperliche und geiſtige Macht, und auf ſeine Schwimm¬ kunſt, entfernte ſich mit dem Mönche kühn von
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„dir:“ Der Mönch fragte: „iſt der Abendſtern
„ſchon hinunter? Spricht es mit dir?“ — Ze¬
ſara blickte in die Höhe und konnte nicht ant¬
worten; die Stimme aus dem Himmel ſprach
wieder und daſſelbe. Der Mönch errieth es
und ſagte: „So hat dein Vater deine Mutter
„aus der Höhe gehöret, als er in Deutſchland
„war; aber er ließ mich lange in Feſſeln le¬
„gen, weil er dachte, ich täuſche ihn.“ — Beim
Worte „Vater,“ deſſen Geiſterunglauben Zeſa¬
ra kannte, riß er den Mönch an den beiden
Händen mit der feſthaltenden ſtarken die Ter¬
raſſen hinunter, um zu hören, wo jetzt die
Stimme ſtehe. Der Alte lächelte ſanft, die
Stimme ſprach wieder über ihm, aber ſo: „liebe
„die Schöne, liebe die Schöne, ich helfe dir.
— Am Ufer hieng ein Fahrzeug, das er am
Tage ſchon geſehen. Der Mönch, der ihm ver¬
muthlich den Argwohn einer irgendwo verbor¬
genen Stimme nehmen wollte, ſtieg in die
Gondel und winkte ihm nachzufolgen. Der
Jüngling im Vertrauen auf ſeine körperliche
und geiſtige Macht, und auf ſeine Schwimm¬
kunſt, entfernte ſich mit dem Mönche kühn von
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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/97>, abgerufen am 22.11.2024.
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