terte er den Baum, um sich wenigstens zu er¬ müden. Aber wie dehnte sich die Welt vor ihm aus mit Bergen, mit Inseln und Wäl¬ dern, da er das donnernde Gewölke über Roms sieben Hügeln liegen sah, gleichsam als rede aus dem Dunkel noch der alte Geist, der in den Hügeln wie in sieben Vesuven gearbeitet hatte, welche vor der Erde so viele Jahrhun¬ derte lang mit feurigen Säulen, mit aufge¬ richteten Gewittern standen und sie mit glühen¬ den Strömen, mit Aschenwolken und mit Fruchtbarkeit übergossen, bis sie sich selber zer¬ sprengten! Die Spiegelwand der Gletscher stand wie sein Vater unzerrüttet vor der Wär¬ me des Himmels und wurde nur glänzend und nicht warm und nicht weich -- aus dem weiten See schienen überall die warmen Hügel wie aus ihrem Bade auszusteigen und die kleinen Schiffe der Menschen schienen in der Ferne strandend zu stocken -- und im weiten Wehen um ihn giengen die großen Geister der Vergan¬ genheit vorüber und unter ihren unsichtbaren Tritten bogen sich nur die Wälder nieder, aber die Blumenbeete wenig. -- Da wurde
in
terte er den Baum, um ſich wenigſtens zu er¬ müden. Aber wie dehnte ſich die Welt vor ihm aus mit Bergen, mit Inſeln und Wäl¬ dern, da er das donnernde Gewölke über Roms ſieben Hügeln liegen ſah, gleichſam als rede aus dem Dunkel noch der alte Geiſt, der in den Hügeln wie in ſieben Veſuven gearbeitet hatte, welche vor der Erde ſo viele Jahrhun¬ derte lang mit feurigen Säulen, mit aufge¬ richteten Gewittern ſtanden und ſie mit glühen¬ den Strömen, mit Aſchenwolken und mit Fruchtbarkeit übergoſſen, bis ſie ſich ſelber zer¬ ſprengten! Die Spiegelwand der Gletſcher ſtand wie ſein Vater unzerrüttet vor der Wär¬ me des Himmels und wurde nur glänzend und nicht warm und nicht weich — aus dem weiten See ſchienen überall die warmen Hügel wie aus ihrem Bade auszuſteigen und die kleinen Schiffe der Menſchen ſchienen in der Ferne ſtrandend zu ſtocken — und im weiten Wehen um ihn giengen die großen Geiſter der Vergan¬ genheit vorüber und unter ihren unſichtbaren Tritten bogen ſich nur die Wälder nieder, aber die Blumenbeete wenig. — Da wurde
in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0068"n="48"/>
terte er den Baum, um ſich wenigſtens zu er¬<lb/>
müden. Aber wie dehnte ſich die Welt vor<lb/>
ihm aus mit Bergen, mit Inſeln und Wäl¬<lb/>
dern, da er das donnernde Gewölke über Roms<lb/>ſieben Hügeln liegen ſah, gleichſam als rede<lb/>
aus dem Dunkel noch der alte Geiſt, der in<lb/>
den Hügeln wie in ſieben Veſuven gearbeitet<lb/>
hatte, welche vor der Erde ſo viele Jahrhun¬<lb/>
derte lang mit feurigen Säulen, mit aufge¬<lb/>
richteten Gewittern ſtanden und ſie mit glühen¬<lb/>
den Strömen, mit Aſchenwolken und mit<lb/>
Fruchtbarkeit übergoſſen, bis ſie ſich ſelber zer¬<lb/>ſprengten! Die Spiegelwand der Gletſcher<lb/>ſtand wie <choice><sic>ein</sic><corrtype="corrigenda">ſein</corr></choice> Vater unzerrüttet vor der Wär¬<lb/>
me des Himmels und wurde nur glänzend und<lb/>
nicht warm und nicht weich — aus dem weiten<lb/>
See ſchienen überall die warmen Hügel wie<lb/>
aus ihrem Bade auszuſteigen und die kleinen<lb/>
Schiffe der Menſchen ſchienen in der Ferne<lb/>ſtrandend zu ſtocken — und im weiten Wehen um<lb/>
ihn giengen die großen Geiſter der Vergan¬<lb/>
genheit vorüber und unter ihren unſichtbaren<lb/>
Tritten bogen ſich nur die Wälder nieder,<lb/>
aber die Blumenbeete wenig. — Da wurde<lb/><fwplace="bottom"type="catch">in<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[48/0068]
terte er den Baum, um ſich wenigſtens zu er¬
müden. Aber wie dehnte ſich die Welt vor
ihm aus mit Bergen, mit Inſeln und Wäl¬
dern, da er das donnernde Gewölke über Roms
ſieben Hügeln liegen ſah, gleichſam als rede
aus dem Dunkel noch der alte Geiſt, der in
den Hügeln wie in ſieben Veſuven gearbeitet
hatte, welche vor der Erde ſo viele Jahrhun¬
derte lang mit feurigen Säulen, mit aufge¬
richteten Gewittern ſtanden und ſie mit glühen¬
den Strömen, mit Aſchenwolken und mit
Fruchtbarkeit übergoſſen, bis ſie ſich ſelber zer¬
ſprengten! Die Spiegelwand der Gletſcher
ſtand wie ſein Vater unzerrüttet vor der Wär¬
me des Himmels und wurde nur glänzend und
nicht warm und nicht weich — aus dem weiten
See ſchienen überall die warmen Hügel wie
aus ihrem Bade auszuſteigen und die kleinen
Schiffe der Menſchen ſchienen in der Ferne
ſtrandend zu ſtocken — und im weiten Wehen um
ihn giengen die großen Geiſter der Vergan¬
genheit vorüber und unter ihren unſichtbaren
Tritten bogen ſich nur die Wälder nieder,
aber die Blumenbeete wenig. — Da wurde
in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/68>, abgerufen am 04.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.