Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.dem sie den Schleier heben und scheiden wollte: dem ſie den Schleier heben und ſcheiden wollte: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0458" n="438"/> dem ſie den Schleier heben und ſcheiden wollte:<lb/> ſo fiel dem großherzigen Jünglinge ſein Be¬<lb/> kenntniß ein: „ich habe Ihren heutigen Brief<lb/> „geleſen, bei Gott das muß ich jetzo ſagen“<lb/> ſagt' er. Sie rückte den Schleier nicht höher<lb/> und ſagte mit zitternder Stimme: „Sie haben<lb/> „ihn gewiß nicht geleſen, Sie waren wohl<lb/> „nicht in meinem Zimmer“ und ſah Chariton<lb/> an. Er verſetzte, ganz hab' er ihn auch nicht,<lb/> aber doch viel; und erzählte mit drei Worten<lb/> eine mildere Geſchichte als Liane ahnen konnte.<lb/> „Der böſe Pollux!“ ſagte immer Chariton. —<lb/> „O Gott, vergeben Sie mir dieſe Sünde der<lb/> „Unwiſſenheit!“ ſagte Albano; ſie hob den<lb/> dunkeln Schleier auf eine Terzie lang zurück<lb/> und ſagte hochroth, mit niedergeſenktem Blicke<lb/> — vielleicht durch die Freude über die Widerle¬<lb/> gung der ſchlimmem Erwartung verſöhnt — :<lb/> „er gehörte bloß an eine Freundinn — und Sie<lb/> „werden wohl, wenn ich Sie bitte, nichts<lb/> „wieder leſen“ — und unter dem Falle des<lb/> Schleiers gieng das Auge mildernd und ver¬<lb/> gebend auf und ſie ſchied langſam mit ihren<lb/> Geliebten von ihm.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [438/0458]
dem ſie den Schleier heben und ſcheiden wollte:
ſo fiel dem großherzigen Jünglinge ſein Be¬
kenntniß ein: „ich habe Ihren heutigen Brief
„geleſen, bei Gott das muß ich jetzo ſagen“
ſagt' er. Sie rückte den Schleier nicht höher
und ſagte mit zitternder Stimme: „Sie haben
„ihn gewiß nicht geleſen, Sie waren wohl
„nicht in meinem Zimmer“ und ſah Chariton
an. Er verſetzte, ganz hab' er ihn auch nicht,
aber doch viel; und erzählte mit drei Worten
eine mildere Geſchichte als Liane ahnen konnte.
„Der böſe Pollux!“ ſagte immer Chariton. —
„O Gott, vergeben Sie mir dieſe Sünde der
„Unwiſſenheit!“ ſagte Albano; ſie hob den
dunkeln Schleier auf eine Terzie lang zurück
und ſagte hochroth, mit niedergeſenktem Blicke
— vielleicht durch die Freude über die Widerle¬
gung der ſchlimmem Erwartung verſöhnt — :
„er gehörte bloß an eine Freundinn — und Sie
„werden wohl, wenn ich Sie bitte, nichts
„wieder leſen“ — und unter dem Falle des
Schleiers gieng das Auge mildernd und ver¬
gebend auf und ſie ſchied langſam mit ihren
Geliebten von ihm.
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