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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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deß sie den Kopf wie eine Muse vorsenkte,
den Blick empor, ihn in eine träumerische Weite
heftend; ihr blaues Auge schimmerte, wie der
blaue wolkenlose Aether in der lauen Sommer¬
nacht blitzend überquillt; -- aber des Jüng¬
lings Geist brannte in der Bewegung auf wie
das Meer im Sturme. Sie zog den schwarzen
Schleier, -- gewiß nicht allein gegen Sonne
und Luft -- herab; und Albano mit einer in¬
nern Welt auf seiner bewegten Gestalt, spielte
-- erhaben mit sich selber kontrastirend -- an
den Löckchen der hergezogenen Helena und sah
ihr mit großen Thränen in das blöde kleine
Gesicht, das ihn nicht verstand.

Jetzt eilte die Mutter ins Schweigen her¬
über und fragte recht freundlich, wie es ihm
gefiele. Seine andern Entzückungen löseten sich
in ein Lob der Töne auf; und die liebe Grie¬
chinn erhob das, was sie so oft gehört, sel¬
ber immer stärker als wär' es ihr neu und
horchte sehr mit zu.

-- Ein Mädchen mit der Harfe blickte
durch das Eingangsgesträuch des Thales herein
und Liane sah den Wink und stand auf. In¬

deß ſie den Kopf wie eine Muſe vorſenkte,
den Blick empor, ihn in eine träumeriſche Weite
heftend; ihr blaues Auge ſchimmerte, wie der
blaue wolkenloſe Aether in der lauen Sommer¬
nacht blitzend überquillt; — aber des Jüng¬
lings Geiſt brannte in der Bewegung auf wie
das Meer im Sturme. Sie zog den ſchwarzen
Schleier, — gewiß nicht allein gegen Sonne
und Luft — herab; und Albano mit einer in¬
nern Welt auf ſeiner bewegten Geſtalt, ſpielte
— erhaben mit ſich ſelber kontraſtirend — an
den Löckchen der hergezogenen Helena und ſah
ihr mit großen Thränen in das blöde kleine
Geſicht, das ihn nicht verſtand.

Jetzt eilte die Mutter ins Schweigen her¬
über und fragte recht freundlich, wie es ihm
gefiele. Seine andern Entzückungen löſeten ſich
in ein Lob der Töne auf; und die liebe Grie¬
chinn erhob das, was ſie ſo oft gehört, ſel¬
ber immer ſtärker als wär' es ihr neu und
horchte ſehr mit zu.

— Ein Mädchen mit der Harfe blickte
durch das Eingangsgeſträuch des Thales herein
und Liane ſah den Wink und ſtand auf. In¬

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[437/0457] deß ſie den Kopf wie eine Muſe vorſenkte, den Blick empor, ihn in eine träumeriſche Weite heftend; ihr blaues Auge ſchimmerte, wie der blaue wolkenloſe Aether in der lauen Sommer¬ nacht blitzend überquillt; — aber des Jüng¬ lings Geiſt brannte in der Bewegung auf wie das Meer im Sturme. Sie zog den ſchwarzen Schleier, — gewiß nicht allein gegen Sonne und Luft — herab; und Albano mit einer in¬ nern Welt auf ſeiner bewegten Geſtalt, ſpielte — erhaben mit ſich ſelber kontraſtirend — an den Löckchen der hergezogenen Helena und ſah ihr mit großen Thränen in das blöde kleine Geſicht, das ihn nicht verſtand. Jetzt eilte die Mutter ins Schweigen her¬ über und fragte recht freundlich, wie es ihm gefiele. Seine andern Entzückungen löſeten ſich in ein Lob der Töne auf; und die liebe Grie¬ chinn erhob das, was ſie ſo oft gehört, ſel¬ ber immer ſtärker als wär' es ihr neu und horchte ſehr mit zu. — Ein Mädchen mit der Harfe blickte durch das Eingangsgeſträuch des Thales herein und Liane ſah den Wink und ſtand auf. In¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/457>, abgerufen am 04.05.2024.