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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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45. Zykel.

Sie sahen schon einige nasse Lichter der
hohen oben hereinspringenden Fontainen des
Flötenthals hochschweben: als Liane wider
Charitons Erwartung beide in einen unwegsa¬
men Eichenhain mitzugehen bat -- sie sah ihn
so vergnügt und offenherzig dabei an und
ohne jenen weiblichen Argwohn, mißverstan¬
den zu werden! Im düstern Haine stand ein
wilder Fels auf, mit den Worten: Dem Freunde
Zesara. Die vorige Fürstinn hatte diese erin¬
nernde Alpe Albanos Vater setzen lassen. --
Ergriffen, erschüttert, mit Schmerzen in den
Augen stand der Sohn davor und lehnte sich
daran wie an Gaspards Brust und drückte den
Arm an den scharfen Stein hinauf: und rief
innigst bewegt: o du guter Vater! -- Seine
ganze Jugend -- und Isola bella -- und die
Zukunft überfielen auf einmal das vom
ganzen Morgen bestürmte Herz und es konnte
sich der zudringenden Thränen nicht länger er¬
wehren. Chariton wurde ernsthaft, Liane lä¬
chelte weich fort, aber wie ein Engel im Ge¬
bet. -- Wie oft ihr schönen Seelen, hab' ich

Titan. l. Ee
45. Zykel.

Sie ſahen ſchon einige naſſe Lichter der
hohen oben hereinſpringenden Fontainen des
Flötenthals hochſchweben: als Liane wider
Charitons Erwartung beide in einen unwegſa¬
men Eichenhain mitzugehen bat — ſie ſah ihn
ſo vergnügt und offenherzig dabei an und
ohne jenen weiblichen Argwohn, mißverſtan¬
den zu werden! Im düſtern Haine ſtand ein
wilder Fels auf, mit den Worten: Dem Freunde
Zeſara. Die vorige Fürſtinn hatte dieſe erin¬
nernde Alpe Albanos Vater ſetzen laſſen. —
Ergriffen, erſchüttert, mit Schmerzen in den
Augen ſtand der Sohn davor und lehnte ſich
daran wie an Gaſpards Bruſt und drückte den
Arm an den ſcharfen Stein hinauf: und rief
innigſt bewegt: o du guter Vater! — Seine
ganze Jugend — und Isola bella — und die
Zukunft überfielen auf einmal das vom
ganzen Morgen beſtürmte Herz und es konnte
ſich der zudringenden Thränen nicht länger er¬
wehren. Chariton wurde ernſthaft, Liane lä¬
chelte weich fort, aber wie ein Engel im Ge¬
bet. — Wie oft ihr ſchönen Seelen, hab' ich

Titan. l. Ee
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[433/0453] 45. Zykel. Sie ſahen ſchon einige naſſe Lichter der hohen oben hereinſpringenden Fontainen des Flötenthals hochſchweben: als Liane wider Charitons Erwartung beide in einen unwegſa¬ men Eichenhain mitzugehen bat — ſie ſah ihn ſo vergnügt und offenherzig dabei an und ohne jenen weiblichen Argwohn, mißverſtan¬ den zu werden! Im düſtern Haine ſtand ein wilder Fels auf, mit den Worten: Dem Freunde Zeſara. Die vorige Fürſtinn hatte dieſe erin¬ nernde Alpe Albanos Vater ſetzen laſſen. — Ergriffen, erſchüttert, mit Schmerzen in den Augen ſtand der Sohn davor und lehnte ſich daran wie an Gaſpards Bruſt und drückte den Arm an den ſcharfen Stein hinauf: und rief innigſt bewegt: o du guter Vater! — Seine ganze Jugend — und Isola bella — und die Zukunft überfielen auf einmal das vom ganzen Morgen beſtürmte Herz und es konnte ſich der zudringenden Thränen nicht länger er¬ wehren. Chariton wurde ernſthaft, Liane lä¬ chelte weich fort, aber wie ein Engel im Ge¬ bet. — Wie oft ihr ſchönen Seelen, hab' ich Titan. l. Ee

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/453>, abgerufen am 22.11.2024.