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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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zu regen, wieder zu und gab mir nur die
liebe Hand.

Nun durft' ich recht seelig wieder in mei¬
nen Garten gehen; ich brachte aber der immer
heitern Chariton den Morgengruß und sagt'
ihr, daß ich auf dem breiten Wege zum Al¬
tare
*) bliebe, sollt' ich etwan gesucht werden.
-- Ach Elisa, wie war mir dann! Und war¬
um hatt' ich dich nicht an meiner Hand und
warum sah mein bekümmerter Karl nicht, daß
seine Schwester so glücklich war? -- Wie nach
einem warmen Regen das Abendroth und das
flüssige Sonnenlicht von allen goldgrünen Hü¬
geln rinnt: so stand ein zitternder Glanz über
meinem ganzen Innern und über meiner Ver¬
gangenheit und überall lagen helle Freudenzäh¬
ren. Ein süßes Nagen nahm mein Herz ausein¬
ander wie zum Sterben, und alles war mir so
nahe und so lieb! Ich hätte der lispelnden
Zitterpappel antworten und den Frühlingslüf¬
ten danken mögen, die so kühlend das heiße

*) So heißet jener Berg, den Albano in der be¬
kannten Frühlingsnacht gefunden.

zu regen, wieder zu und gab mir nur die
liebe Hand.

Nun durft' ich recht ſeelig wieder in mei¬
nen Garten gehen; ich brachte aber der immer
heitern Chariton den Morgengruß und ſagt'
ihr, daß ich auf dem breiten Wege zum Al¬
tare
*) bliebe, ſollt' ich etwan geſucht werden.
— Ach Eliſa, wie war mir dann! Und war¬
um hatt' ich dich nicht an meiner Hand und
warum ſah mein bekümmerter Karl nicht, daß
ſeine Schweſter ſo glücklich war? — Wie nach
einem warmen Regen das Abendroth und das
flüſſige Sonnenlicht von allen goldgrünen Hü¬
geln rinnt: ſo ſtand ein zitternder Glanz über
meinem ganzen Innern und über meiner Ver¬
gangenheit und überall lagen helle Freudenzäh¬
ren. Ein ſüßes Nagen nahm mein Herz ausein¬
ander wie zum Sterben, und alles war mir ſo
nahe und ſo lieb! Ich hätte der liſpelnden
Zitterpappel antworten und den Frühlingslüf¬
ten danken mögen, die ſo kühlend das heiße

*) So heißet jener Berg, den Albano in der be¬
kannten Frühlingsnacht gefunden.
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[418/0438] zu regen, wieder zu und gab mir nur die liebe Hand. Nun durft' ich recht ſeelig wieder in mei¬ nen Garten gehen; ich brachte aber der immer heitern Chariton den Morgengruß und ſagt' ihr, daß ich auf dem breiten Wege zum Al¬ tare *) bliebe, ſollt' ich etwan geſucht werden. — Ach Eliſa, wie war mir dann! Und war¬ um hatt' ich dich nicht an meiner Hand und warum ſah mein bekümmerter Karl nicht, daß ſeine Schweſter ſo glücklich war? — Wie nach einem warmen Regen das Abendroth und das flüſſige Sonnenlicht von allen goldgrünen Hü¬ geln rinnt: ſo ſtand ein zitternder Glanz über meinem ganzen Innern und über meiner Ver¬ gangenheit und überall lagen helle Freudenzäh¬ ren. Ein ſüßes Nagen nahm mein Herz ausein¬ ander wie zum Sterben, und alles war mir ſo nahe und ſo lieb! Ich hätte der liſpelnden Zitterpappel antworten und den Frühlingslüf¬ ten danken mögen, die ſo kühlend das heiße *) So heißet jener Berg, den Albano in der be¬ kannten Frühlingsnacht gefunden.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/438>, abgerufen am 22.11.2024.