Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.sey. Hier kam -- und ich habe denselben Fall ſey. Hier kam — und ich habe denſelben Fall <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0409" n="389"/> ſey. Hier kam — und ich habe denſelben Fall<lb/> an einer halbblinden Frau von mächtiger<lb/> Phantaſie und offnem Kunſtſinne bemerkt —<lb/> die Anſtrengung und der Kunſtſinn oder das<lb/> geiſtige Auge dem leiblichen auf halbem Wege<lb/> entgegen. — Die Doſe wurde wie ihr Taback<lb/> weiter präſentirt und ſtieg hinab zum Kunſt¬<lb/> rath Fraiſchdörfer — dem jetzt die Kunſtliebe<lb/> des neuen Fürſten und die Kunſtgelehrſamkeit<lb/> des Günſtlings neue Kronen aufſetzen — ; er<lb/> rügte nichts als das Blüthenweiß; „der Früh¬<lb/> „ling (ſagt’ er,) iſt wegen ſeines verdrüßlichen<lb/> „Weißes ein leeres Monochroma; ich habe Li¬<lb/> „lar nur im Herbſte beſucht.“ — „Wir können<lb/> „ja den Nachtigallengeſang auch nicht malen,<lb/> „und hören ihn doch“ ſagte Liane heiter: er<lb/> war ihr Lehrer, und jetzt in der maleriſchen<lb/> Technologie ſogar ihres Vaters ſeiner. Über<lb/> allen ihren Kenntniſſen und innern Früchten und<lb/> Blüthen war die Roſe des Schweigens gemalt;<lb/> daran hatte ſie der gebieteriſche Vater über¬<lb/> haupt gewöhnt, und vor Männern beſonders;<lb/> in welchen ſie immer kopirte Väter furchtſam<lb/> ehrte. —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [389/0409]
ſey. Hier kam — und ich habe denſelben Fall
an einer halbblinden Frau von mächtiger
Phantaſie und offnem Kunſtſinne bemerkt —
die Anſtrengung und der Kunſtſinn oder das
geiſtige Auge dem leiblichen auf halbem Wege
entgegen. — Die Doſe wurde wie ihr Taback
weiter präſentirt und ſtieg hinab zum Kunſt¬
rath Fraiſchdörfer — dem jetzt die Kunſtliebe
des neuen Fürſten und die Kunſtgelehrſamkeit
des Günſtlings neue Kronen aufſetzen — ; er
rügte nichts als das Blüthenweiß; „der Früh¬
„ling (ſagt’ er,) iſt wegen ſeines verdrüßlichen
„Weißes ein leeres Monochroma; ich habe Li¬
„lar nur im Herbſte beſucht.“ — „Wir können
„ja den Nachtigallengeſang auch nicht malen,
„und hören ihn doch“ ſagte Liane heiter: er
war ihr Lehrer, und jetzt in der maleriſchen
Technologie ſogar ihres Vaters ſeiner. Über
allen ihren Kenntniſſen und innern Früchten und
Blüthen war die Roſe des Schweigens gemalt;
daran hatte ſie der gebieteriſche Vater über¬
haupt gewöhnt, und vor Männern beſonders;
in welchen ſie immer kopirte Väter furchtſam
ehrte. —
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/409>, abgerufen am 16.07.2024. |