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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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weil er keine Zunge hat --; und seine Adern
schlugen wild als Flügel, die ihn vom Boden
aufwehten und ihn vor eine höhere Aussicht
trugen als die in die letzte Freude oder Mar¬
ter ist. Denn in starken Menschen werden
große Schmerzen und Freuden zu überschauen¬
den Anhöhen des ganzen Lebensweges. -- --

Ich weiß nicht, ob viele Leser den Fehler
möglich finden werden, den er jetzt wirklich
begieng. Die Ministerinn war im Gespräche
sehr natürlich -- durch Liane und Roquairol
-- auf den Satz gerathen, daß Kindern keine
Schule nöthiger sey als die der Geduld, weil
entweder der Wille in der Kindheit gebrochen
werde oder im Alter das Herz. Ach sie und
ihre Tochter knieeten ja selber voll Geduld vor
dem beladenden Schicksale oder auch vor dem
bewaffneten; wiewohl die Mutter mit einer
frommen, die mehr an den Himmel als auf
die Wunde sah, Liane mit einer liebenden, die
sich in neue Leiden wie in alte Krankheiten er¬
giebt wie eine Königinn am Krönungstage in
die Schmerzen und Frikzionen des schweren
Juwelenputzes, und wie ein Kind, das die

weil er keine Zunge hat —; und ſeine Adern
ſchlugen wild als Flügel, die ihn vom Boden
aufwehten und ihn vor eine höhere Ausſicht
trugen als die in die letzte Freude oder Mar¬
ter iſt. Denn in ſtarken Menſchen werden
große Schmerzen und Freuden zu überſchauen¬
den Anhöhen des ganzen Lebensweges. — —

Ich weiß nicht, ob viele Leſer den Fehler
möglich finden werden, den er jetzt wirklich
begieng. Die Miniſterinn war im Geſpräche
ſehr natürlich — durch Liane und Roquairol
— auf den Satz gerathen, daß Kindern keine
Schule nöthiger ſey als die der Geduld, weil
entweder der Wille in der Kindheit gebrochen
werde oder im Alter das Herz. Ach ſie und
ihre Tochter knieeten ja ſelber voll Geduld vor
dem beladenden Schickſale oder auch vor dem
bewaffneten; wiewohl die Mutter mit einer
frommen, die mehr an den Himmel als auf
die Wunde ſah, Liane mit einer liebenden, die
ſich in neue Leiden wie in alte Krankheiten er¬
giebt wie eine Königinn am Krönungstage in
die Schmerzen und Frikzionen des ſchweren
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[341/0361] weil er keine Zunge hat —; und ſeine Adern ſchlugen wild als Flügel, die ihn vom Boden aufwehten und ihn vor eine höhere Ausſicht trugen als die in die letzte Freude oder Mar¬ ter iſt. Denn in ſtarken Menſchen werden große Schmerzen und Freuden zu überſchauen¬ den Anhöhen des ganzen Lebensweges. — — Ich weiß nicht, ob viele Leſer den Fehler möglich finden werden, den er jetzt wirklich begieng. Die Miniſterinn war im Geſpräche ſehr natürlich — durch Liane und Roquairol — auf den Satz gerathen, daß Kindern keine Schule nöthiger ſey als die der Geduld, weil entweder der Wille in der Kindheit gebrochen werde oder im Alter das Herz. Ach ſie und ihre Tochter knieeten ja ſelber voll Geduld vor dem beladenden Schickſale oder auch vor dem bewaffneten; wiewohl die Mutter mit einer frommen, die mehr an den Himmel als auf die Wunde ſah, Liane mit einer liebenden, die ſich in neue Leiden wie in alte Krankheiten er¬ giebt wie eine Königinn am Krönungstage in die Schmerzen und Frikzionen des ſchweren Juwelenputzes, und wie ein Kind, das die

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/361>, abgerufen am 25.11.2024.