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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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"er früher durch Kleider und Doktors-Rang
"dieses Medikament beigebracht und ihr damit
"auf die Beine geholfen. -- Aber er wolle lie¬
"ber 60 gemeine Weiber als Eine vornehme
"kuriren -- und er bedauere als Hausarzt bloß
"seine Rezepte und medizinischen Bedenken,
"falls einmal, wie er gewiß glaube, die schöne
"Liane von hinnen fahre." --

Die erste Frage, die der nie etwas über¬
hörende Albano auf dem Rückwege vom Dok¬
tor an Augusti that, war was die Doktorinn
mit dem unterschreibenden Bedienten haben
wollen. Er erklärte es. Es ist nämlich in Pe¬
stiz wie in Leipzig die Observanz, daß, wenn
ein Mensch verstirbt oder sonst verunglückt,
dessen Familie einen leeren Bogen Papier
sammt Dinte und Feder in den Vorsaal legt,
damit Personen, die nähern Antheil nehmen
und zeigen, einen Lakaien dahin schicken kön¬
nen, der ihren Namen auf den Bogen setzt so
gut er weiß; -- dieses kaufmännische Indosse¬
ment des nähern Antheils, dieses niedersteigende
repräsentative System durch Bediente, die über¬
haupt jetzt die Telegraphen unsers Herzens

„er früher durch Kleider und Doktors-Rang
„dieſes Medikament beigebracht und ihr damit
„auf die Beine geholfen. — Aber er wolle lie¬
„ber 60 gemeine Weiber als Eine vornehme
„kuriren — und er bedauere als Hausarzt bloß
„ſeine Rezepte und mediziniſchen Bedenken,
„falls einmal, wie er gewiß glaube, die ſchöne
„Liane von hinnen fahre.“ —

Die erſte Frage, die der nie etwas über¬
hörende Albano auf dem Rückwege vom Dok¬
tor an Auguſti that, war was die Doktorinn
mit dem unterſchreibenden Bedienten haben
wollen. Er erklärte es. Es iſt nämlich in Pe¬
ſtiz wie in Leipzig die Obſervanz, daß, wenn
ein Menſch verſtirbt oder ſonſt verunglückt,
deſſen Familie einen leeren Bogen Papier
ſammt Dinte und Feder in den Vorſaal legt,
damit Perſonen, die nähern Antheil nehmen
und zeigen, einen Lakaien dahin ſchicken kön¬
nen, der ihren Namen auf den Bogen ſetzt ſo
gut er weiß; — dieſes kaufmänniſche Indoſſe¬
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repräſentative Syſtem durch Bediente, die über¬
haupt jetzt die Telegraphen unſers Herzens

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[322/0342] „er früher durch Kleider und Doktors-Rang „dieſes Medikament beigebracht und ihr damit „auf die Beine geholfen. — Aber er wolle lie¬ „ber 60 gemeine Weiber als Eine vornehme „kuriren — und er bedauere als Hausarzt bloß „ſeine Rezepte und mediziniſchen Bedenken, „falls einmal, wie er gewiß glaube, die ſchöne „Liane von hinnen fahre.“ — Die erſte Frage, die der nie etwas über¬ hörende Albano auf dem Rückwege vom Dok¬ tor an Auguſti that, war was die Doktorinn mit dem unterſchreibenden Bedienten haben wollen. Er erklärte es. Es iſt nämlich in Pe¬ ſtiz wie in Leipzig die Obſervanz, daß, wenn ein Menſch verſtirbt oder ſonſt verunglückt, deſſen Familie einen leeren Bogen Papier ſammt Dinte und Feder in den Vorſaal legt, damit Perſonen, die nähern Antheil nehmen und zeigen, einen Lakaien dahin ſchicken kön¬ nen, der ihren Namen auf den Bogen ſetzt ſo gut er weiß; — dieſes kaufmänniſche Indoſſe¬ ment des nähern Antheils, dieſes niederſteigende repräſentative Syſtem durch Bediente, die über¬ haupt jetzt die Telegraphen unſers Herzens

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/342>, abgerufen am 03.05.2024.