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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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Ein einziger Thränentropfe konnte in diesen
Kalzinirofen Sieden und Verwüstung bringen.
Schon diesen ganzen Abend blickte er den Greis
mit furchtsamen Schaudern über das kindische
Ende dieses gewichnen Geistes an, der sonst
so feurig gewesen als seiner jetzt; und je länger
er hinsah, desto dickere Rauchwolken schwam¬
men vom offnen Krater des Grabes in das
grünende Leben herein, und er hörte darin
donnern und er sah darin eine Eisenfaust dun¬
kel glühen, die nach unserm Herzen greift.

Unter diesen grimmigen Träumen, die je¬
den innern Schmutzflecken beleuchteten und die
hart ihm droheten, auch an seinem Vulkane
werde nichts fruchtbar seyn als einst die --
Asche, traten die traurigen Mädchen herein,
die unterwegs nur über die erkaltete Gestalt,
und jetzt noch heftiger über die verschönerte
weinten; denn die Hand des Todes hatt' aus
ihr das Linienblatt der letzten Jahre, das vor¬
tretende Kinn, die Feuermäler der Leidenschaf¬
ten und so viele mit Runzeln unterstrichene
Quaalen weggelöscht und gleichsam auf die
Hülle den Wiederschein des frischen stillen Mor¬

Ein einziger Thränentropfe konnte in dieſen
Kalzinirofen Sieden und Verwüſtung bringen.
Schon dieſen ganzen Abend blickte er den Greis
mit furchtſamen Schaudern über das kindiſche
Ende dieſes gewichnen Geiſtes an, der ſonſt
ſo feurig geweſen als ſeiner jetzt; und je länger
er hinſah, deſto dickere Rauchwolken ſchwam¬
men vom offnen Krater des Grabes in das
grünende Leben herein, und er hörte darin
donnern und er ſah darin eine Eiſenfauſt dun¬
kel glühen, die nach unſerm Herzen greift.

Unter dieſen grimmigen Träumen, die je¬
den innern Schmutzflecken beleuchteten und die
hart ihm droheten, auch an ſeinem Vulkane
werde nichts fruchtbar ſeyn als einſt die —
Aſche, traten die traurigen Mädchen herein,
die unterwegs nur über die erkaltete Geſtalt,
und jetzt noch heftiger über die verſchönerte
weinten; denn die Hand des Todes hatt' aus
ihr das Linienblatt der letzten Jahre, das vor¬
tretende Kinn, die Feuermäler der Leidenſchaf¬
ten und ſo viele mit Runzeln unterſtrichene
Quaalen weggelöſcht und gleichſam auf die
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[302/0322] Ein einziger Thränentropfe konnte in dieſen Kalzinirofen Sieden und Verwüſtung bringen. Schon dieſen ganzen Abend blickte er den Greis mit furchtſamen Schaudern über das kindiſche Ende dieſes gewichnen Geiſtes an, der ſonſt ſo feurig geweſen als ſeiner jetzt; und je länger er hinſah, deſto dickere Rauchwolken ſchwam¬ men vom offnen Krater des Grabes in das grünende Leben herein, und er hörte darin donnern und er ſah darin eine Eiſenfauſt dun¬ kel glühen, die nach unſerm Herzen greift. Unter dieſen grimmigen Träumen, die je¬ den innern Schmutzflecken beleuchteten und die hart ihm droheten, auch an ſeinem Vulkane werde nichts fruchtbar ſeyn als einſt die — Aſche, traten die traurigen Mädchen herein, die unterwegs nur über die erkaltete Geſtalt, und jetzt noch heftiger über die verſchönerte weinten; denn die Hand des Todes hatt' aus ihr das Linienblatt der letzten Jahre, das vor¬ tretende Kinn, die Feuermäler der Leidenſchaf¬ ten und ſo viele mit Runzeln unterſtrichene Quaalen weggelöſcht und gleichſam auf die Hülle den Wiederſchein des friſchen ſtillen Mor¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/322>, abgerufen am 25.11.2024.