Tage lang -- und bei deinem blöden Glauben an einen tausendmal höhern Tugendgehalt Lia¬ nens als deiner ist, und bei deiner heiligen Ehr¬ liebe, die über die fremde wacht, ist dirs frei¬ lich ein Räthsel, wie andere, z. B. der Wiener oder Wehrfriz ohne das geringste Erröthen so laut und lieb von ihr sprechen konnten, da du selber kaum wagst, vor andern viel von ihr zu -- träumen. Wahrlich, Albano ist ein gu¬ ter Mensch! -- ferner, wie vollends eine solche in gediegnen Aether vererzte lichte Psyche wie Liane, etwa gleich dem auferstandnen Christus, Karpfen essen und ausgräten könne -- oder mit den langen hölzernen Heugabeln im Klei¬ nen, den Sallatschober im blauen Napfe umste¬ chen -- oder in der Sänfte ein halb Pfund mehr wiegen als ein blauer Schmetterling -- oder wie sie laut lachen könne (das that sie aber auch nie, mein Freund!); alles das und überhaupt der ganze kleine Dienst des beleib¬ ten Erdenlebens war dem geflügelten Jüng¬ linge ein Räthsel und eine wahre Unmöglichkeit oder die Wirklichkeit davon eine Fixsternbe¬ deckung: was soll ichs verhalten, daß er
Tage lang — und bei deinem blöden Glauben an einen tauſendmal höhern Tugendgehalt Lia¬ nens als deiner iſt, und bei deiner heiligen Ehr¬ liebe, die über die fremde wacht, iſt dirs frei¬ lich ein Räthſel, wie andere, z. B. der Wiener oder Wehrfriz ohne das geringſte Erröthen ſo laut und lieb von ihr ſprechen konnten, da du ſelber kaum wagſt, vor andern viel von ihr zu — träumen. Wahrlich, Albano iſt ein gu¬ ter Menſch! — ferner, wie vollends eine ſolche in gediegnen Aether vererzte lichte Pſyche wie Liane, etwa gleich dem auferſtandnen Chriſtus, Karpfen eſſen und ausgräten könne — oder mit den langen hölzernen Heugabeln im Klei¬ nen, den Sallatſchober im blauen Napfe umſte¬ chen — oder in der Sänfte ein halb Pfund mehr wiegen als ein blauer Schmetterling — oder wie ſie laut lachen könne (das that ſie aber auch nie, mein Freund!); alles das und überhaupt der ganze kleine Dienſt des beleib¬ ten Erdenlebens war dem geflügelten Jüng¬ linge ein Räthſel und eine wahre Unmöglichkeit oder die Wirklichkeit davon eine Fixſternbe¬ deckung: was ſoll ichs verhalten, daß er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0237"n="217"/>
Tage lang — und bei deinem blöden Glauben<lb/>
an einen tauſendmal höhern Tugendgehalt Lia¬<lb/>
nens als deiner iſt, und bei deiner heiligen Ehr¬<lb/>
liebe, die über die fremde wacht, iſt dirs frei¬<lb/>
lich ein Räthſel, wie andere, z. B. der Wiener<lb/>
oder Wehrfriz ohne das geringſte Erröthen ſo<lb/>
laut und lieb von ihr ſprechen konnten, da du<lb/>ſelber kaum wagſt, vor andern viel von ihr<lb/>
zu — träumen. Wahrlich, Albano iſt ein gu¬<lb/>
ter Menſch! — ferner, wie vollends eine ſolche<lb/>
in gediegnen Aether vererzte lichte Pſyche wie<lb/>
Liane, etwa gleich dem auferſtandnen Chriſtus,<lb/>
Karpfen eſſen und ausgräten könne — oder<lb/>
mit den langen hölzernen Heugabeln im Klei¬<lb/>
nen, den Sallatſchober im blauen Napfe umſte¬<lb/>
chen — oder in der Sänfte ein halb Pfund<lb/>
mehr wiegen als ein blauer Schmetterling —<lb/>
oder wie ſie laut lachen könne (das that ſie<lb/>
aber auch nie, mein Freund!); alles das und<lb/>
überhaupt der ganze kleine Dienſt des beleib¬<lb/>
ten Erdenlebens war dem geflügelten Jüng¬<lb/>
linge ein Räthſel und eine wahre Unmöglichkeit<lb/>
oder die Wirklichkeit davon eine <hirendition="#g">Fixſternbe</hi>¬<lb/><hirendition="#g">deckung</hi>: was ſoll ichs verhalten, daß er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[217/0237]
Tage lang — und bei deinem blöden Glauben
an einen tauſendmal höhern Tugendgehalt Lia¬
nens als deiner iſt, und bei deiner heiligen Ehr¬
liebe, die über die fremde wacht, iſt dirs frei¬
lich ein Räthſel, wie andere, z. B. der Wiener
oder Wehrfriz ohne das geringſte Erröthen ſo
laut und lieb von ihr ſprechen konnten, da du
ſelber kaum wagſt, vor andern viel von ihr
zu — träumen. Wahrlich, Albano iſt ein gu¬
ter Menſch! — ferner, wie vollends eine ſolche
in gediegnen Aether vererzte lichte Pſyche wie
Liane, etwa gleich dem auferſtandnen Chriſtus,
Karpfen eſſen und ausgräten könne — oder
mit den langen hölzernen Heugabeln im Klei¬
nen, den Sallatſchober im blauen Napfe umſte¬
chen — oder in der Sänfte ein halb Pfund
mehr wiegen als ein blauer Schmetterling —
oder wie ſie laut lachen könne (das that ſie
aber auch nie, mein Freund!); alles das und
überhaupt der ganze kleine Dienſt des beleib¬
ten Erdenlebens war dem geflügelten Jüng¬
linge ein Räthſel und eine wahre Unmöglichkeit
oder die Wirklichkeit davon eine Fixſternbe¬
deckung: was ſoll ichs verhalten, daß er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/237>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.