meines Helden zum Vorscheine kommt; sonst dürfte mir vielleicht die Gerechtigkeit widerfah¬ ren, daß Kenner meine dichterischen Abweichun¬ gen von der Wahrheit mit der Wahrheit kon¬ frontirten und darnach leichter jedem von uns das Seinige geben, sowohl der Wahrheit als mir. Allein auf diesen Lohn thun alle könig¬ liche Historiographen, skandalöse Chroniker nolens volens Verzicht, weil nie die wahre Hi¬ storie zugleich mit ihrer erscheint. --
Aber unter dem Komponiren der Geschichte muß ein Autor auch darauf auslaufen, daß sie nicht nur keine wahre Personen treffe und ver¬ rathe, sondern auch keine falsche und gar nie¬ mand. Eh' ich z. B. für einen schlimmen Für¬ sten einen Namen wähle, seh' ich das genealo¬ gische Verzeichniß aller regierenden und regier¬ ten Häupter durch, um keinen Namen zu brau¬ chen, den schon einer führt; so werden in Ota¬ heiti sogar die Wörter, die dem Namen des Königs ähnlich klingen, nach seiner Krönung ausgerottet und durch andere vergütet. Da ich sonst gar keine jetzt lebende Höfe kannte: so war ich nicht im Stande, in den Schlacht¬
meines Helden zum Vorſcheine kommt; ſonſt dürfte mir vielleicht die Gerechtigkeit widerfah¬ ren, daß Kenner meine dichteriſchen Abweichun¬ gen von der Wahrheit mit der Wahrheit kon¬ frontirten und darnach leichter jedem von uns das Seinige geben, ſowohl der Wahrheit als mir. Allein auf dieſen Lohn thun alle könig¬ liche Hiſtoriographen, ſkandalöſe Chroniker nolens volens Verzicht, weil nie die wahre Hi¬ ſtorie zugleich mit ihrer erſcheint. —
Aber unter dem Komponiren der Geſchichte muß ein Autor auch darauf auslaufen, daß ſie nicht nur keine wahre Perſonen treffe und ver¬ rathe, ſondern auch keine falſche und gar nie¬ mand. Eh' ich z. B. für einen ſchlimmen Für¬ ſten einen Namen wähle, ſeh' ich das genealo¬ giſche Verzeichniß aller regierenden und regier¬ ten Häupter durch, um keinen Namen zu brau¬ chen, den ſchon einer führt; ſo werden in Ota¬ heiti ſogar die Wörter, die dem Namen des Königs ähnlich klingen, nach ſeiner Krönung ausgerottet und durch andere vergütet. Da ich ſonſt gar keine jetzt lebende Höfe kannte: ſo war ich nicht im Stande, in den Schlacht¬
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meines Helden zum Vorſcheine kommt; ſonſt
dürfte mir vielleicht die Gerechtigkeit widerfah¬
ren, daß Kenner meine dichteriſchen Abweichun¬
gen von der Wahrheit mit der Wahrheit kon¬
frontirten und darnach leichter jedem von uns
das Seinige geben, ſowohl der Wahrheit als
mir. Allein auf dieſen Lohn thun alle könig¬
liche Hiſtoriographen, ſkandalöſe Chroniker
nolens volens Verzicht, weil nie die wahre Hi¬
ſtorie zugleich mit ihrer erſcheint. —
Aber unter dem Komponiren der Geſchichte
muß ein Autor auch darauf auslaufen, daß ſie
nicht nur keine wahre Perſonen treffe und ver¬
rathe, ſondern auch keine falſche und gar nie¬
mand. Eh' ich z. B. für einen ſchlimmen Für¬
ſten einen Namen wähle, ſeh' ich das genealo¬
giſche Verzeichniß aller regierenden und regier¬
ten Häupter durch, um keinen Namen zu brau¬
chen, den ſchon einer führt; ſo werden in Ota¬
heiti ſogar die Wörter, die dem Namen des
Königs ähnlich klingen, nach ſeiner Krönung
ausgerottet und durch andere vergütet. Da ich
ſonſt gar keine jetzt lebende Höfe kannte: ſo
war ich nicht im Stande, in den Schlacht¬
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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/134>, abgerufen am 25.11.2024.
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