Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

eine Einladung vom Minister auf Thee und Sou¬
per: "die arme Tochter! (sagte Augusti) Die¬
"ses Bouverot wegen muß die Halbblinde mor¬
"gen an die Tafel." Indeß sieht sie doch
unser Jüngling endlich wieder und nur ein
Frühlingstag sondert ihn vom theuersten Wesen
ab! -- Hat Augusti Recht: so trifft meine Be¬
merkung hier ein, daß ein guter Filou immer
der motivirende Hecht wird, der den frommen
Karpfensatz der Stillen im -- Teiche zum
Schwimmen bringt; die versteckte Blattermate¬
rie, die kalte Kinder auf einmal lebendig macht.

38. Zykel.

Lianens Augen heilten, aber nur langsam;
die Natur wollte sie nicht auf einmal aus ih¬
rem düstern Kerker in die Sonne führen; jetzt
konnte sie erst wie die Philosophen, mehr Licht
als Gestalten erkennen. Gleichwohl gab der
Minister den Kabinetsbefehl, sie müsse über¬
morgen die Harmonika spielen, bei dem Sou¬
per erscheinen und sogar den Sallat machen
und dabei ihre Blindheit maskiren. Er befahl
zuweilen unmögliche Dinge, um so viel Unge¬

eine Einladung vom Miniſter auf Thee und Sou¬
per: „die arme Tochter! (ſagte Auguſti) Die¬
„ſes Bouverot wegen muß die Halbblinde mor¬
„gen an die Tafel.“ Indeß ſieht ſie doch
unſer Jüngling endlich wieder und nur ein
Frühlingstag ſondert ihn vom theuerſten Weſen
ab! — Hat Auguſti Recht: ſo trifft meine Be¬
merkung hier ein, daß ein guter Filou immer
der motivirende Hecht wird, der den frommen
Karpfenſatz der Stillen im — Teiche zum
Schwimmen bringt; die verſteckte Blattermate¬
rie, die kalte Kinder auf einmal lebendig macht.

38. Zykel.

Lianens Augen heilten, aber nur langſam;
die Natur wollte ſie nicht auf einmal aus ih¬
rem düſtern Kerker in die Sonne führen; jetzt
konnte ſie erſt wie die Philoſophen, mehr Licht
als Geſtalten erkennen. Gleichwohl gab der
Miniſter den Kabinetsbefehl, ſie müſſe über¬
morgen die Harmonika ſpielen, bei dem Sou¬
per erſcheinen und ſogar den Sallat machen
und dabei ihre Blindheit maſkiren. Er befahl
zuweilen unmögliche Dinge, um ſo viel Unge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0390" n="370"/>
eine Einladung vom Mini&#x017F;ter auf Thee und Sou¬<lb/>
per: &#x201E;die arme Tochter! (&#x017F;agte Augu&#x017F;ti) Die¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;es <hi rendition="#aq">Bouverot</hi> wegen muß die Halbblinde mor¬<lb/>
&#x201E;gen an die Tafel.&#x201C; Indeß &#x017F;ieht &#x017F;ie doch<lb/>
un&#x017F;er Jüngling endlich wieder und nur ein<lb/>
Frühlingstag &#x017F;ondert ihn vom theuer&#x017F;ten We&#x017F;en<lb/>
ab! &#x2014; Hat Augu&#x017F;ti Recht: &#x017F;o trifft meine Be¬<lb/>
merkung hier ein, daß ein guter Filou immer<lb/>
der motivirende Hecht wird, der den frommen<lb/>
Karpfen&#x017F;atz der Stillen im &#x2014; Teiche zum<lb/>
Schwimmen bringt; die ver&#x017F;teckte Blattermate¬<lb/>
rie, die kalte Kinder auf einmal lebendig macht.</p><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>38. <hi rendition="#g">Zykel</hi>.<lb/></head>
          <p>Lianens Augen heilten, aber nur lang&#x017F;am;<lb/>
die Natur wollte &#x017F;ie nicht auf einmal aus ih¬<lb/>
rem dü&#x017F;tern Kerker in die Sonne führen; jetzt<lb/>
konnte &#x017F;ie er&#x017F;t wie die Philo&#x017F;ophen, mehr Licht<lb/>
als Ge&#x017F;talten erkennen. Gleichwohl gab der<lb/>
Mini&#x017F;ter den Kabinetsbefehl, &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;e über¬<lb/>
morgen die Harmonika &#x017F;pielen, bei dem Sou¬<lb/>
per er&#x017F;cheinen und &#x017F;ogar den Sallat machen<lb/>
und dabei ihre Blindheit ma&#x017F;kiren. Er befahl<lb/>
zuweilen unmögliche Dinge, um &#x017F;o viel Unge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0390] eine Einladung vom Miniſter auf Thee und Sou¬ per: „die arme Tochter! (ſagte Auguſti) Die¬ „ſes Bouverot wegen muß die Halbblinde mor¬ „gen an die Tafel.“ Indeß ſieht ſie doch unſer Jüngling endlich wieder und nur ein Frühlingstag ſondert ihn vom theuerſten Weſen ab! — Hat Auguſti Recht: ſo trifft meine Be¬ merkung hier ein, daß ein guter Filou immer der motivirende Hecht wird, der den frommen Karpfenſatz der Stillen im — Teiche zum Schwimmen bringt; die verſteckte Blattermate¬ rie, die kalte Kinder auf einmal lebendig macht. 38. Zykel. Lianens Augen heilten, aber nur langſam; die Natur wollte ſie nicht auf einmal aus ih¬ rem düſtern Kerker in die Sonne führen; jetzt konnte ſie erſt wie die Philoſophen, mehr Licht als Geſtalten erkennen. Gleichwohl gab der Miniſter den Kabinetsbefehl, ſie müſſe über¬ morgen die Harmonika ſpielen, bei dem Sou¬ per erſcheinen und ſogar den Sallat machen und dabei ihre Blindheit maſkiren. Er befahl zuweilen unmögliche Dinge, um ſo viel Unge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/390
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/390>, abgerufen am 30.11.2024.