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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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ferner jeder von uns neben sich noch ein Dop¬
pel-Ich, einen vollständigen Archimimus*)
und Repetenten im Komplimentiren, Hutab¬
nehmen, Tanzen, Sprechen, Zanken, Prahlen etc.
herlaufen sähe: beim Himmel! ein solches ge¬
naues Repetirwerk unsrer Mißtöne würde
ganz andre Leute aus mir und andern Leuten
machen als wir gegenwärtig sind. Der erste
und kleinste Schritt, den wir zur Besonnenheit
und Tugend thäten, wäre schon der, daß wir
unsre körperliche Methodologie, z. B. unsern
Gang, Anzug, Dialekt, unsre Schwüre, Mi¬
nen, Leibgerichte etc. nicht besser sondern gerade
so befänden als alle fremde. Fürsten haben das
Glück, daß sich alle Hofleute um sie zu treuen
Supranumerarkopisten und Pfeilerspiegeln ih¬
res Ichs zusammenstellen und sie durch diese
Heloten-Mimik bessern wollen. Aber sie
erreichen selten die gute Absicht, weil der Fürst

*) So hieß bei den Römern ein Mann, der
hinter der Leiche gieng und die Gebehrden
und das Wesen derselben im Leben nachäffte.
Pers. Sat. 3.

ferner jeder von uns neben ſich noch ein Dop¬
pel-Ich, einen vollſtändigen Archimimus*)
und Repetenten im Komplimentiren, Hutab¬
nehmen, Tanzen, Sprechen, Zanken, Prahlen ꝛc.
herlaufen ſähe: beim Himmel! ein ſolches ge¬
naues Repetirwerk unſrer Mißtöne würde
ganz andre Leute aus mir und andern Leuten
machen als wir gegenwärtig ſind. Der erſte
und kleinſte Schritt, den wir zur Beſonnenheit
und Tugend thäten, wäre ſchon der, daß wir
unſre körperliche Methodologie, z. B. unſern
Gang, Anzug, Dialekt, unſre Schwüre, Mi¬
nen, Leibgerichte ꝛc. nicht beſſer ſondern gerade
ſo befänden als alle fremde. Fürſten haben das
Glück, daß ſich alle Hofleute um ſie zu treuen
Supranumerarkopiſten und Pfeilerſpiegeln ih¬
res Ichs zuſammenſtellen und ſie durch dieſe
Heloten-Mimik beſſern wollen. Aber ſie
erreichen ſelten die gute Abſicht, weil der Fürſt

*) So hieß bei den Römern ein Mann, der
hinter der Leiche gieng und die Gebehrden
und das Weſen derſelben im Leben nachäffte.
Pers. Sat. 3.
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[330/0350] ferner jeder von uns neben ſich noch ein Dop¬ pel-Ich, einen vollſtändigen Archimimus *) und Repetenten im Komplimentiren, Hutab¬ nehmen, Tanzen, Sprechen, Zanken, Prahlen ꝛc. herlaufen ſähe: beim Himmel! ein ſolches ge¬ naues Repetirwerk unſrer Mißtöne würde ganz andre Leute aus mir und andern Leuten machen als wir gegenwärtig ſind. Der erſte und kleinſte Schritt, den wir zur Beſonnenheit und Tugend thäten, wäre ſchon der, daß wir unſre körperliche Methodologie, z. B. unſern Gang, Anzug, Dialekt, unſre Schwüre, Mi¬ nen, Leibgerichte ꝛc. nicht beſſer ſondern gerade ſo befänden als alle fremde. Fürſten haben das Glück, daß ſich alle Hofleute um ſie zu treuen Supranumerarkopiſten und Pfeilerſpiegeln ih¬ res Ichs zuſammenſtellen und ſie durch dieſe Heloten-Mimik beſſern wollen. Aber ſie erreichen ſelten die gute Abſicht, weil der Fürſt *) So hieß bei den Römern ein Mann, der hinter der Leiche gieng und die Gebehrden und das Weſen derſelben im Leben nachäffte. Pers. Sat. 3.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/350>, abgerufen am 09.11.2024.