Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

also Oesel vor drei Wochen Beaten seinen Observa¬
tions-Tod vormachte: so zitterte unter allen Schaul-
Fichüs, die da waren, kein so zartes und mitleidiges
Herz als ihres, das weder fremden Betrug noch eigne
Härte kannte. Gleichgültig legte sich Oefel in den
optischen Tod; verliebt stand er wieder auf und er
hätte mit seiner scheinbaren Ohnmacht beinahe eine
wahre gewirkt. "Ich konnte sie nur seitdem nicht
darüber sprechen." sagt' er; Gustav kämpfte mit
einem großen Seufzer nicht über Oefels gefüllose
Eitelkeit sondern über sich selbst und über Oefels
Glück. "O Beata, in dieser Brust -- redete sie
sein Innerstes an -- hättest du ein verschwiegne¬
res und aufrichtigeres Herz gefunden als das ist,
das du ihm vorziehest -- es würde sein Glück ver¬
borgen haben, wie jezt seine Seufzer -- es wäre
dir ewig treu geblieben -- ach es wird dir doch
treu bleiben!" -- dennoch empfand er das Eckel¬
hafte in Oefels Eitelkeit nicht ganz, weil ein
Freund sich unserem Ich so sehr inokulirt und da¬
mit verwächset, daß wir seine Eitelkeit so leicht
wie unsre eigne und aus gleichen Gründen über¬
sehen.

alſo Oeſel vor drei Wochen Beaten ſeinen Obſerva¬
tions-Tod vormachte: ſo zitterte unter allen Schaul-
Fichuͤs, die da waren, kein ſo zartes und mitleidiges
Herz als ihres, das weder fremden Betrug noch eigne
Haͤrte kannte. Gleichguͤltig legte ſich Oefel in den
optiſchen Tod; verliebt ſtand er wieder auf und er
haͤtte mit ſeiner ſcheinbaren Ohnmacht beinahe eine
wahre gewirkt. „Ich konnte ſie nur ſeitdem nicht
daruͤber ſprechen.“ ſagt' er; Guſtav kaͤmpfte mit
einem großen Seufzer nicht uͤber Oefels gefuͤlloſe
Eitelkeit ſondern uͤber ſich ſelbſt und uͤber Oefels
Gluͤck. „O Beata, in dieſer Bruſt — redete ſie
ſein Innerſtes an — haͤtteſt du ein verſchwiegne¬
res und aufrichtigeres Herz gefunden als das iſt,
das du ihm vorzieheſt — es wuͤrde ſein Gluͤck ver¬
borgen haben, wie jezt ſeine Seufzer — es waͤre
dir ewig treu geblieben — ach es wird dir doch
treu bleiben!“ — dennoch empfand er das Eckel¬
hafte in Oefels Eitelkeit nicht ganz, weil ein
Freund ſich unſerem Ich ſo ſehr inokulirt und da¬
mit verwaͤchſet, daß wir ſeine Eitelkeit ſo leicht
wie unſre eigne und aus gleichen Gruͤnden uͤber¬
ſehen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0057" n="47"/>
al&#x017F;o Oe&#x017F;el vor drei Wochen Beaten &#x017F;einen Ob&#x017F;erva¬<lb/>
tions-Tod vormachte: &#x017F;o zitterte unter allen Schaul-<lb/>
Fichu&#x0364;s, die da waren, kein &#x017F;o zartes und mitleidiges<lb/>
Herz als ihres, das weder fremden Betrug noch eigne<lb/>
Ha&#x0364;rte kannte. Gleichgu&#x0364;ltig legte &#x017F;ich Oefel in den<lb/>
opti&#x017F;chen Tod; verliebt &#x017F;tand er wieder auf und er<lb/>
ha&#x0364;tte mit &#x017F;einer &#x017F;cheinbaren Ohnmacht beinahe eine<lb/>
wahre gewirkt. &#x201E;Ich konnte &#x017F;ie nur &#x017F;eitdem nicht<lb/>
daru&#x0364;ber &#x017F;prechen.&#x201C; &#x017F;agt' er; Gu&#x017F;tav ka&#x0364;mpfte mit<lb/>
einem großen Seufzer nicht u&#x0364;ber Oefels gefu&#x0364;llo&#x017F;e<lb/>
Eitelkeit &#x017F;ondern u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und u&#x0364;ber Oefels<lb/>
Glu&#x0364;ck. &#x201E;O Beata, in die&#x017F;er Bru&#x017F;t &#x2014; redete &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ein Inner&#x017F;tes an &#x2014; ha&#x0364;tte&#x017F;t du ein ver&#x017F;chwiegne¬<lb/>
res und aufrichtigeres Herz gefunden als das i&#x017F;t,<lb/>
das du ihm vorziehe&#x017F;t &#x2014; es wu&#x0364;rde &#x017F;ein Glu&#x0364;ck ver¬<lb/>
borgen haben, wie jezt &#x017F;eine Seufzer &#x2014; es wa&#x0364;re<lb/>
dir ewig treu geblieben &#x2014; ach es wird dir doch<lb/>
treu bleiben!&#x201C; &#x2014; dennoch empfand er <choice><sic>daß</sic><corr>das</corr></choice> Eckel¬<lb/>
hafte in Oefels Eitelkeit nicht ganz, weil ein<lb/>
Freund &#x017F;ich un&#x017F;erem Ich &#x017F;o &#x017F;ehr inokulirt und da¬<lb/>
mit verwa&#x0364;ch&#x017F;et, daß wir &#x017F;eine Eitelkeit &#x017F;o leicht<lb/>
wie un&#x017F;re eigne und aus gleichen Gru&#x0364;nden u&#x0364;ber¬<lb/>
&#x017F;ehen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0057] alſo Oeſel vor drei Wochen Beaten ſeinen Obſerva¬ tions-Tod vormachte: ſo zitterte unter allen Schaul- Fichuͤs, die da waren, kein ſo zartes und mitleidiges Herz als ihres, das weder fremden Betrug noch eigne Haͤrte kannte. Gleichguͤltig legte ſich Oefel in den optiſchen Tod; verliebt ſtand er wieder auf und er haͤtte mit ſeiner ſcheinbaren Ohnmacht beinahe eine wahre gewirkt. „Ich konnte ſie nur ſeitdem nicht daruͤber ſprechen.“ ſagt' er; Guſtav kaͤmpfte mit einem großen Seufzer nicht uͤber Oefels gefuͤlloſe Eitelkeit ſondern uͤber ſich ſelbſt und uͤber Oefels Gluͤck. „O Beata, in dieſer Bruſt — redete ſie ſein Innerſtes an — haͤtteſt du ein verſchwiegne¬ res und aufrichtigeres Herz gefunden als das iſt, das du ihm vorzieheſt — es wuͤrde ſein Gluͤck ver¬ borgen haben, wie jezt ſeine Seufzer — es waͤre dir ewig treu geblieben — ach es wird dir doch treu bleiben!“ — dennoch empfand er das Eckel¬ hafte in Oefels Eitelkeit nicht ganz, weil ein Freund ſich unſerem Ich ſo ſehr inokulirt und da¬ mit verwaͤchſet, daß wir ſeine Eitelkeit ſo leicht wie unſre eigne und aus gleichen Gruͤnden uͤber¬ ſehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/57
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/57>, abgerufen am 22.11.2024.