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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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hüllete, wenn der weiche Dunen-Busen *) wogend
wie ein weisses Rosenblatt auf den Athem-Wellen
läge und mit ihnen auf und niederflösse, wenn ih¬
re Seele, sonst in den dreifachen Ueberzug der Wor¬
te, des Körpers und der Kleider geschlagen, sich
aus allen Hüllen wände und in die Wellen der Tö¬
ne stiege und im Meer des Sehnens untersänke . . . .?
Ich spräng' nach. -- -- --

Gustav war noch im Nachspringen begriffen,
als die Residentin mit zwei Portraits wieder kam.
"Welches ist ähnlicher?" sagte sie zu Beaten und
hielt ihr beide entgegen und heftete ihr Auge statt
auf die drei Gesichter, die zu vergleichen waren,
bloß auf das, welches verglich. Das mitkommen¬
de war nemlich das ächte brüderliche und verlorne
um das sie an meine Philippine geschrieben hatte.
"O mein Bruder!" sagte sie mit zuviel Bewegung
und Akzent; welches zu vergeben ist, da sie erst
vom Klavier herkam: unter dem schnellen Ergrei¬

*) Denn bekanntlich ist die männliche Brust viel härter und
unbiegsamer und dem ähnlich, was von ihr umschlossen
wird. -- Sonderbar ists, daß die Eltern ihre Töchter
Dinge mit allem Gefühle singen lassen, die sie ihnen
nicht erlaubten vorzulesen.
2. Theil. C

huͤllete, wenn der weiche Dunen-Buſen *) wogend
wie ein weiſſes Roſenblatt auf den Athem-Wellen
laͤge und mit ihnen auf und niederfloͤſſe, wenn ih¬
re Seele, ſonſt in den dreifachen Ueberzug der Wor¬
te, des Koͤrpers und der Kleider geſchlagen, ſich
aus allen Huͤllen waͤnde und in die Wellen der Toͤ¬
ne ſtiege und im Meer des Sehnens unterſaͤnke . . . .?
Ich ſpraͤng' nach. — — —

Guſtav war noch im Nachſpringen begriffen,
als die Reſidentin mit zwei Portraits wieder kam.
„Welches iſt aͤhnlicher?“ ſagte ſie zu Beaten und
hielt ihr beide entgegen und heftete ihr Auge ſtatt
auf die drei Geſichter, die zu vergleichen waren,
bloß auf das, welches verglich. Das mitkommen¬
de war nemlich das aͤchte bruͤderliche und verlorne
um das ſie an meine Philippine geſchrieben hatte.
„O mein Bruder!“ ſagte ſie mit zuviel Bewegung
und Akzent; welches zu vergeben iſt, da ſie erſt
vom Klavier herkam: unter dem ſchnellen Ergrei¬

*) Denn bekanntlich iſt die männliche Bruſt viel härter und
unbiegſamer und dem ähnlich, was von ihr umſchloſſen
wird. — Sonderbar iſts, daß die Eltern ihre Töchter
Dinge mit allem Gefühle ſingen laſſen, die ſie ihnen
nicht erlaubten vorzuleſen.
2. Theil. C
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[33/0043] huͤllete, wenn der weiche Dunen-Buſen *) wogend wie ein weiſſes Roſenblatt auf den Athem-Wellen laͤge und mit ihnen auf und niederfloͤſſe, wenn ih¬ re Seele, ſonſt in den dreifachen Ueberzug der Wor¬ te, des Koͤrpers und der Kleider geſchlagen, ſich aus allen Huͤllen waͤnde und in die Wellen der Toͤ¬ ne ſtiege und im Meer des Sehnens unterſaͤnke . . . .? Ich ſpraͤng' nach. — — — Guſtav war noch im Nachſpringen begriffen, als die Reſidentin mit zwei Portraits wieder kam. „Welches iſt aͤhnlicher?“ ſagte ſie zu Beaten und hielt ihr beide entgegen und heftete ihr Auge ſtatt auf die drei Geſichter, die zu vergleichen waren, bloß auf das, welches verglich. Das mitkommen¬ de war nemlich das aͤchte bruͤderliche und verlorne um das ſie an meine Philippine geſchrieben hatte. „O mein Bruder!“ ſagte ſie mit zuviel Bewegung und Akzent; welches zu vergeben iſt, da ſie erſt vom Klavier herkam: unter dem ſchnellen Ergrei¬ *) Denn bekanntlich iſt die männliche Bruſt viel härter und unbiegſamer und dem ähnlich, was von ihr umſchloſſen wird. — Sonderbar iſts, daß die Eltern ihre Töchter Dinge mit allem Gefühle ſingen laſſen, die ſie ihnen nicht erlaubten vorzuleſen. 2. Theil. C

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/43>, abgerufen am 26.04.2024.