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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Er wäre Primaner geworden, wäre nicht sein
Vater aus unserem Planeten in einen andern oder
in einen Trabanten gerückt. Daher dacht' er die
Melioration seines Vaters nachzumachen und woll¬
te von der Sekundanerbank auf den Lehrstuhl rut¬
schen. Der Kirchenpatron, H. von Ebern drängte
sich zwischen beide Gerüste und hielt seinen ausge¬
dienten Koch an der Hand, um ihn in ein Amt
einzusetzen, dem er gewachsen war, weil es in
diesem eben so gut wie in seinem vorigen, Span¬
ferkel *) todt zu peitschen und zu appretieren aber
nicht zu essen gab. Ich hab es schon in der Revi¬
sion des Schulwesens in einer Note erinnert und
H. Gedikens Beifall davon getragen, daß in je¬
dem Bauerjungen ein unausgewachsener Schulmei¬
ster stecke, der von einem Paar Kirchenjahren
groß zu paraphrasieren sei -- daß nicht bloß das
alte Rom Welt-Konsuls, sondern heutige
Dörfer Schul-Konsuls vom Pfluge und aus der
Furche ziehen könnten -- daß man eben so gut von
Leuten seines Standes hier unterrichtet als in

*) Die bekanntlich besser schmecken wenn man sie mit Ru¬
thenstreichen tödtet.

Er waͤre Primaner geworden, waͤre nicht ſein
Vater aus unſerem Planeten in einen andern oder
in einen Trabanten geruͤckt. Daher dacht' er die
Melioration ſeines Vaters nachzumachen und woll¬
te von der Sekundanerbank auf den Lehrſtuhl rut¬
ſchen. Der Kirchenpatron, H. von Ebern draͤngte
ſich zwiſchen beide Geruͤſte und hielt ſeinen ausge¬
dienten Koch an der Hand, um ihn in ein Amt
einzuſetzen, dem er gewachſen war, weil es in
dieſem eben ſo gut wie in ſeinem vorigen, Span¬
ferkel *) todt zu peitſchen und zu appretieren aber
nicht zu eſſen gab. Ich hab es ſchon in der Revi¬
ſion des Schulweſens in einer Note erinnert und
H. Gedikens Beifall davon getragen, daß in je¬
dem Bauerjungen ein unausgewachſener Schulmei¬
ſter ſtecke, der von einem Paar Kirchenjahren
groß zu paraphraſieren ſei — daß nicht bloß das
alte Rom Welt-Konſuls, ſondern heutige
Doͤrfer Schul-Konſuls vom Pfluge und aus der
Furche ziehen koͤnnten — daß man eben ſo gut von
Leuten ſeines Standes hier unterrichtet als in

*) Die bekanntlich beſſer ſchmecken wenn man ſie mit Ru¬
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[398/0408] Er waͤre Primaner geworden, waͤre nicht ſein Vater aus unſerem Planeten in einen andern oder in einen Trabanten geruͤckt. Daher dacht' er die Melioration ſeines Vaters nachzumachen und woll¬ te von der Sekundanerbank auf den Lehrſtuhl rut¬ ſchen. Der Kirchenpatron, H. von Ebern draͤngte ſich zwiſchen beide Geruͤſte und hielt ſeinen ausge¬ dienten Koch an der Hand, um ihn in ein Amt einzuſetzen, dem er gewachſen war, weil es in dieſem eben ſo gut wie in ſeinem vorigen, Span¬ ferkel *) todt zu peitſchen und zu appretieren aber nicht zu eſſen gab. Ich hab es ſchon in der Revi¬ ſion des Schulweſens in einer Note erinnert und H. Gedikens Beifall davon getragen, daß in je¬ dem Bauerjungen ein unausgewachſener Schulmei¬ ſter ſtecke, der von einem Paar Kirchenjahren groß zu paraphraſieren ſei — daß nicht bloß das alte Rom Welt-Konſuls, ſondern heutige Doͤrfer Schul-Konſuls vom Pfluge und aus der Furche ziehen koͤnnten — daß man eben ſo gut von Leuten ſeines Standes hier unterrichtet als in *) Die bekanntlich beſſer ſchmecken wenn man ſie mit Ru¬ thenſtreichen tödtet.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/408>, abgerufen am 25.11.2024.