tern und Dämmerung verdeckt, weil der Mond noch nicht auf war. Es sang schöner als ich noch hörte:
-- -- Niemand, nirgends, nie.
-- -- Die Thräne, die fällt.
-- -- Der Engel, der leuchtet.
-- -- Es schweigt.
-- -- Es leidet.
-- -- Es hoft.
-- -- Ich und Du!
Offenbar fehlet jeder Zeile die Hälfte, und jeder Antwort die Frage. Es fiel mir schon einige¬ male ein, daß der Genius, der unsern Freund er¬ zog, ihm beim Abschied Fragen und Dissonanzen dagelassen, deren Antworten und Auflösungen er mitgenommen: ich denk', ich hab' es dem Leser auch gesagt. Ich wollt', Gustav wäre da. Aber ich habe nicht den Muth, mir die Freude auszu¬ denken, daß auch der Genius sich in unsre Freuden- Guirlande zu Lilienbad eindränge! -- Ich höre noch immer die gezognen Flötentöne aus diesem unbe¬ kannten Busen hinter den Blüten klagen; aber sie machen mich traurig. Hier liegen die ewigschlafen¬ den Blumen, die ich heute auf dem Steige unsrer
tern und Daͤmmerung verdeckt, weil der Mond noch nicht auf war. Es ſang ſchoͤner als ich noch hoͤrte:
— — Niemand, nirgends, nie.
— — Die Thraͤne, die faͤllt.
— — Der Engel, der leuchtet.
— — Es ſchweigt.
— — Es leidet.
— — Es hoft.
— — Ich und Du!
Offenbar fehlet jeder Zeile die Haͤlfte, und jeder Antwort die Frage. Es fiel mir ſchon einige¬ male ein, daß der Genius, der unſern Freund er¬ zog, ihm beim Abſchied Fragen und Diſſonanzen dagelaſſen, deren Antworten und Aufloͤſungen er mitgenommen: ich denk', ich hab' es dem Leſer auch geſagt. Ich wollt', Guſtav waͤre da. Aber ich habe nicht den Muth, mir die Freude auszu¬ denken, daß auch der Genius ſich in unſre Freuden- Guirlande zu Lilienbad eindraͤnge! — Ich hoͤre noch immer die gezognen Floͤtentoͤne aus dieſem unbe¬ kannten Buſen hinter den Bluͤten klagen; aber ſie machen mich traurig. Hier liegen die ewigſchlafen¬ den Blumen, die ich heute auf dem Steige unſrer
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tern und Daͤmmerung verdeckt, weil der Mond
noch nicht auf war. Es ſang ſchoͤner als ich noch
hoͤrte:
— — Niemand, nirgends, nie.
— — Die Thraͤne, die faͤllt.
— — Der Engel, der leuchtet.
— — Es ſchweigt.
— — Es leidet.
— — Es hoft.
— — Ich und Du!
Offenbar fehlet jeder Zeile die Haͤlfte, und
jeder Antwort die Frage. Es fiel mir ſchon einige¬
male ein, daß der Genius, der unſern Freund er¬
zog, ihm beim Abſchied Fragen und Diſſonanzen
dagelaſſen, deren Antworten und Aufloͤſungen er
mitgenommen: ich denk', ich hab' es dem Leſer
auch geſagt. Ich wollt', Guſtav waͤre da. Aber
ich habe nicht den Muth, mir die Freude auszu¬
denken, daß auch der Genius ſich in unſre Freuden-
Guirlande zu Lilienbad eindraͤnge! — Ich hoͤre noch
immer die gezognen Floͤtentoͤne aus dieſem unbe¬
kannten Buſen hinter den Bluͤten klagen; aber ſie
machen mich traurig. Hier liegen die ewigſchlafen¬
den Blumen, die ich heute auf dem Steige unſrer
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/370>, abgerufen am 22.11.2024.
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