Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

den, daß wir einander nur aus Särgen, eh' sie
untersinken, die Hände reichen, ach daß der Tod
nicht das einzige, nicht das schmerzhafteste ist, was
Menschen scheidet -- eh' er uns aus einander nimmt,
so drängt sich noch manche kältere Hand herein
und spaltet Seele von Seele -- -- ach dann flies¬
set ja auch das Auge und das Herz fällt klagend
zu, eben so gut als hätte der Tod zertrennt, wie
in der völligen Sonnenfinsterniß so gut wie
in der längern Nacht der Thau sinkt, die Nach¬
tigall klagt, die Blume zuquillt!

-- Alles Gute, alles Schöne, alles was den
Menschen beglückt und erhebt, sei mit meinem
Freunde; und alle meine Wünsche vereinigt mein
stilles Gebet."


Ich thue sie alle mit, nicht bloß für Gustav,
sondern für jeden den ich kenne und für die andern
auch.


Ob es gleich schon eilf Uhr zu Nachts ist: so
muß ich dem Leser doch etwas Melancholisch-Schö¬
nes melden, das eben jetzt vorüberzog. Ein singen¬
des Wesen schwebte durch unser Thal, aber von Blät¬

den, daß wir einander nur aus Saͤrgen, eh' ſie
unterſinken, die Haͤnde reichen, ach daß der Tod
nicht das einzige, nicht das ſchmerzhafteſte iſt, was
Menſchen ſcheidet — eh' er uns aus einander nimmt,
ſo draͤngt ſich noch manche kaͤltere Hand herein
und ſpaltet Seele von Seele — — ach dann flieſ¬
ſet ja auch das Auge und das Herz faͤllt klagend
zu, eben ſo gut als haͤtte der Tod zertrennt, wie
in der voͤlligen Sonnenfinſterniß ſo gut wie
in der laͤngern Nacht der Thau ſinkt, die Nach¬
tigall klagt, die Blume zuquillt!

— Alles Gute, alles Schoͤne, alles was den
Menſchen begluͤckt und erhebt, ſei mit meinem
Freunde; und alle meine Wuͤnſche vereinigt mein
ſtilles Gebet.“


Ich thue ſie alle mit, nicht bloß fuͤr Guſtav,
ſondern fuͤr jeden den ich kenne und fuͤr die andern
auch.


Ob es gleich ſchon eilf Uhr zu Nachts iſt: ſo
muß ich dem Leſer doch etwas Melancholiſch-Schoͤ¬
nes melden, das eben jetzt voruͤberzog. Ein ſingen¬
des Weſen ſchwebte durch unſer Thal, aber von Blaͤt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0369" n="359"/>
den, daß wir einander nur aus Sa&#x0364;rgen, eh' &#x017F;ie<lb/>
unter&#x017F;inken, die Ha&#x0364;nde reichen, ach daß der Tod<lb/>
nicht das einzige, nicht das &#x017F;chmerzhafte&#x017F;te i&#x017F;t, was<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;cheidet &#x2014; eh' er uns aus einander nimmt,<lb/>
&#x017F;o dra&#x0364;ngt &#x017F;ich noch manche ka&#x0364;ltere Hand herein<lb/>
und &#x017F;paltet Seele von Seele &#x2014; &#x2014; ach dann flie&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;et ja auch das Auge und das Herz fa&#x0364;llt klagend<lb/>
zu, eben &#x017F;o gut als ha&#x0364;tte der Tod zertrennt, wie<lb/>
in der vo&#x0364;lligen <hi rendition="#g">Sonnenfin&#x017F;terniß</hi> &#x017F;o gut wie<lb/>
in der la&#x0364;ngern <hi rendition="#g">Nacht</hi> der Thau &#x017F;inkt, die Nach¬<lb/>
tigall klagt, die Blume zuquillt!</p><lb/>
            <p>&#x2014; Alles Gute, alles Scho&#x0364;ne, alles was den<lb/>
Men&#x017F;chen beglu&#x0364;ckt und erhebt, &#x017F;ei mit meinem<lb/>
Freunde; und alle meine Wu&#x0364;n&#x017F;che vereinigt mein<lb/>
&#x017F;tilles Gebet.&#x201C;</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Ich thue &#x017F;ie alle mit, nicht bloß fu&#x0364;r Gu&#x017F;tav,<lb/>
&#x017F;ondern fu&#x0364;r jeden den ich kenne und fu&#x0364;r die andern<lb/>
auch.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Ob es gleich &#x017F;chon eilf Uhr zu Nachts i&#x017F;t: &#x017F;o<lb/>
muß ich dem Le&#x017F;er doch etwas Melancholi&#x017F;ch-Scho&#x0364;¬<lb/>
nes melden, das eben jetzt voru&#x0364;berzog. Ein &#x017F;ingen¬<lb/>
des We&#x017F;en &#x017F;chwebte durch un&#x017F;er Thal, aber von Bla&#x0364;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0369] den, daß wir einander nur aus Saͤrgen, eh' ſie unterſinken, die Haͤnde reichen, ach daß der Tod nicht das einzige, nicht das ſchmerzhafteſte iſt, was Menſchen ſcheidet — eh' er uns aus einander nimmt, ſo draͤngt ſich noch manche kaͤltere Hand herein und ſpaltet Seele von Seele — — ach dann flieſ¬ ſet ja auch das Auge und das Herz faͤllt klagend zu, eben ſo gut als haͤtte der Tod zertrennt, wie in der voͤlligen Sonnenfinſterniß ſo gut wie in der laͤngern Nacht der Thau ſinkt, die Nach¬ tigall klagt, die Blume zuquillt! — Alles Gute, alles Schoͤne, alles was den Menſchen begluͤckt und erhebt, ſei mit meinem Freunde; und alle meine Wuͤnſche vereinigt mein ſtilles Gebet.“ Ich thue ſie alle mit, nicht bloß fuͤr Guſtav, ſondern fuͤr jeden den ich kenne und fuͤr die andern auch. Ob es gleich ſchon eilf Uhr zu Nachts iſt: ſo muß ich dem Leſer doch etwas Melancholiſch-Schoͤ¬ nes melden, das eben jetzt voruͤberzog. Ein ſingen¬ des Weſen ſchwebte durch unſer Thal, aber von Blaͤt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/369
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/369>, abgerufen am 18.05.2024.