Hofnungen als Saamen künftiger Freuden mit¬ brachten, seinen Busen auf. -- Unser Eingang war am östlichen Ende, am westlichen sah uns die zur Erde herabgegangene Sonne an und zerfloß gleichsam aus Entzücken über ihren angewandten Tag in eine Abendröthe, die durch das ganze Thal schwamm und bis an die Laub-Gipfel stieg. -- Nie sah' ich so eine: sie lag wie herab getropfet, in dem Gebüsch, auf dem Grase und Laube und mal¬ te Himmel und Erde zu Einem Rosen-Kelch. Ein¬ zelne, zuweilen gepaarte Hütten hüllten sich mit Bäumen zu, lebendige Jalousie-Fenster aus Zwei¬ gen preßten sich an die Aussichten der Zimmer und bedeckten den Glücklichen, der heraus nach diesen Szenen der Wonne sah, mit Schatten, Düften, Blüten und Früchten. Die Sonne war hinabge¬ rückt, das Thal legte wie eine verwittibte Fürstin einen Schleier von weissen Düften an und schwieg mit tausend Kehlen -- alles war still -- still ka¬ men wir an -- still wars um Beatens Hütte, an deren Fenster ein Blumentopf mit einem einzigen Vergißmeinnicht noch vom Begießen tröpfelte -- still wählten wir unsere gepaarte Hütten und un¬ sre Herzen zergiengen uns vor ruhiger Wonne über
Hofnungen als Saamen kuͤnftiger Freuden mit¬ brachten, ſeinen Buſen auf. — Unſer Eingang war am oͤſtlichen Ende, am weſtlichen ſah uns die zur Erde herabgegangene Sonne an und zerfloß gleichſam aus Entzuͤcken uͤber ihren angewandten Tag in eine Abendroͤthe, die durch das ganze Thal ſchwamm und bis an die Laub-Gipfel ſtieg. — Nie ſah' ich ſo eine: ſie lag wie herab getropfet, in dem Gebuͤſch, auf dem Graſe und Laube und mal¬ te Himmel und Erde zu Einem Roſen-Kelch. Ein¬ zelne, zuweilen gepaarte Huͤtten huͤllten ſich mit Baͤumen zu, lebendige Jalouſie-Fenſter aus Zwei¬ gen preßten ſich an die Ausſichten der Zimmer und bedeckten den Gluͤcklichen, der heraus nach dieſen Szenen der Wonne ſah, mit Schatten, Duͤften, Bluͤten und Fruͤchten. Die Sonne war hinabge¬ ruͤckt, das Thal legte wie eine verwittibte Fuͤrſtin einen Schleier von weiſſen Duͤften an und ſchwieg mit tauſend Kehlen — alles war ſtill — ſtill ka¬ men wir an — ſtill wars um Beatens Huͤtte, an deren Fenſter ein Blumentopf mit einem einzigen Vergißmeinnicht noch vom Begießen troͤpfelte — ſtill waͤhlten wir unſere gepaarte Huͤtten und un¬ ſre Herzen zergiengen uns vor ruhiger Wonne uͤber
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Hofnungen als Saamen kuͤnftiger Freuden mit¬
brachten, ſeinen Buſen auf. — Unſer Eingang
war am oͤſtlichen Ende, am weſtlichen ſah uns die
zur Erde herabgegangene Sonne an und zerfloß
gleichſam aus Entzuͤcken uͤber ihren angewandten
Tag in eine Abendroͤthe, die durch das ganze Thal
ſchwamm und bis an die Laub-Gipfel ſtieg. — Nie
ſah' ich ſo eine: ſie lag wie herab getropfet, in
dem Gebuͤſch, auf dem Graſe und Laube und mal¬
te Himmel und Erde zu Einem Roſen-Kelch. Ein¬
zelne, zuweilen gepaarte Huͤtten huͤllten ſich mit
Baͤumen zu, lebendige Jalouſie-Fenſter aus Zwei¬
gen preßten ſich an die Ausſichten der Zimmer und
bedeckten den Gluͤcklichen, der heraus nach dieſen
Szenen der Wonne ſah, mit Schatten, Duͤften,
Bluͤten und Fruͤchten. Die Sonne war hinabge¬
ruͤckt, das Thal legte wie eine verwittibte Fuͤrſtin
einen Schleier von weiſſen Duͤften an und ſchwieg
mit tauſend Kehlen — alles war ſtill — ſtill ka¬
men wir an — ſtill wars um Beatens Huͤtte, an
deren Fenſter ein Blumentopf mit einem einzigen
Vergißmeinnicht noch vom Begießen troͤpfelte —
ſtill waͤhlten wir unſere gepaarte Huͤtten und un¬
ſre Herzen zergiengen uns vor ruhiger Wonne uͤber
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/296>, abgerufen am 25.11.2024.
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