Innung davon lernen will -- unmöglich kanns un¬ ter ihrer Hirnschale so viele Veränderungen und Versuche geben als über derselben -- die Koalition und Einkindschaft der unähnlichsten Frisuren ist so groß, Dappieren und Auskämmen kommen hinter¬ einander so schnell, oder Aufbauen und Umreißen, daß es nur auf dem Kopfe der Göttin der Wahr¬ heit ärger zugehen kann, den die Philosophen fri¬ sieren und aufsetzen, oder in ganzen Staatskör¬ pern, an denen die Regenten sich üben.
Am nämlichen Morgen, wo unserer die Resi¬ dentin koeffierte, sagt' er der träumerischen Bea¬ ta, am andern Tage käm er mit dem Friseur zu ihr. Die Residentin sagte nichts als: "die Männer können alles; aber das Leichte selten; sie wirren leichter zehn Prozesse als zehn Haare ein." Beata konnte nicht reden -- zu Nachts konnte sie nicht schlafen. Ihr ganzes Innere entsetzte sich vor des Fürsten Frostgesicht und stechendem Feuer¬ blick, der (so wenig sie es deutlich dachte) die Prä¬ liminarsiege im neuen Schlosse so abzukürzen brannte als wär' er im Palais royal. Am andern Morgen hatte sich ihr Wunsch, krank zu werden, beinahe in die Ueberzeugung, es zu seyn verwan¬
B 2
Innung davon lernen will — unmoͤglich kanns un¬ ter ihrer Hirnſchale ſo viele Veraͤnderungen und Verſuche geben als uͤber derſelben — die Koalition und Einkindſchaft der unaͤhnlichſten Friſuren iſt ſo groß, Dappieren und Auskaͤmmen kommen hinter¬ einander ſo ſchnell, oder Aufbauen und Umreißen, daß es nur auf dem Kopfe der Goͤttin der Wahr¬ heit aͤrger zugehen kann, den die Philoſophen fri¬ ſieren und aufſetzen, oder in ganzen Staatskoͤr¬ pern, an denen die Regenten ſich uͤben.
Am naͤmlichen Morgen, wo unſerer die Reſi¬ dentin koeffierte, ſagt' er der traͤumeriſchen Bea¬ ta, am andern Tage kaͤm er mit dem Friſeur zu ihr. Die Reſidentin ſagte nichts als: „die Maͤnner koͤnnen alles; aber das Leichte ſelten; ſie wirren leichter zehn Prozeſſe als zehn Haare ein.“ Beata konnte nicht reden — zu Nachts konnte ſie nicht ſchlafen. Ihr ganzes Innere entſetzte ſich vor des Fuͤrſten Froſtgeſicht und ſtechendem Feuer¬ blick, der (ſo wenig ſie es deutlich dachte) die Praͤ¬ liminarſiege im neuen Schloſſe ſo abzukuͤrzen brannte als waͤr' er im Palais royal. Am andern Morgen hatte ſich ihr Wunſch, krank zu werden, beinahe in die Ueberzeugung, es zu ſeyn verwan¬
B 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0029"n="19"/>
Innung davon lernen will — unmoͤglich kanns un¬<lb/>
ter ihrer Hirnſchale ſo viele Veraͤnderungen und<lb/>
Verſuche geben als uͤber derſelben — die Koalition<lb/>
und Einkindſchaft der unaͤhnlichſten Friſuren iſt ſo<lb/>
groß, Dappieren und Auskaͤmmen kommen hinter¬<lb/>
einander ſo ſchnell, oder Aufbauen und Umreißen,<lb/>
daß es nur auf dem Kopfe der Goͤttin der Wahr¬<lb/>
heit aͤrger zugehen kann, den die Philoſophen fri¬<lb/>ſieren und aufſetzen, oder in ganzen Staatskoͤr¬<lb/>
pern, an denen die Regenten ſich uͤben.</p><lb/><p>Am naͤmlichen Morgen, wo unſerer die Reſi¬<lb/>
dentin koeffierte, ſagt' er der traͤumeriſchen Bea¬<lb/>
ta, am andern Tage kaͤm er mit dem Friſeur<lb/>
zu ihr. Die Reſidentin ſagte nichts als: „die<lb/>
Maͤnner koͤnnen alles; aber das Leichte ſelten; ſie<lb/>
wirren leichter zehn Prozeſſe als zehn Haare ein.“<lb/>
Beata konnte nicht reden — zu Nachts konnte ſie<lb/>
nicht ſchlafen. Ihr ganzes Innere entſetzte ſich<lb/>
vor des Fuͤrſten Froſtgeſicht und ſtechendem Feuer¬<lb/>
blick, der (ſo wenig ſie es deutlich dachte) die <hirendition="#g">Praͤ¬<lb/>
liminarſiege</hi> im neuen Schloſſe ſo abzukuͤrzen<lb/>
brannte als waͤr' er im <hirendition="#aq">Palais royal</hi>. Am andern<lb/>
Morgen hatte ſich ihr Wunſch, krank zu werden,<lb/>
beinahe in die Ueberzeugung, es zu ſeyn verwan¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 2<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[19/0029]
Innung davon lernen will — unmoͤglich kanns un¬
ter ihrer Hirnſchale ſo viele Veraͤnderungen und
Verſuche geben als uͤber derſelben — die Koalition
und Einkindſchaft der unaͤhnlichſten Friſuren iſt ſo
groß, Dappieren und Auskaͤmmen kommen hinter¬
einander ſo ſchnell, oder Aufbauen und Umreißen,
daß es nur auf dem Kopfe der Goͤttin der Wahr¬
heit aͤrger zugehen kann, den die Philoſophen fri¬
ſieren und aufſetzen, oder in ganzen Staatskoͤr¬
pern, an denen die Regenten ſich uͤben.
Am naͤmlichen Morgen, wo unſerer die Reſi¬
dentin koeffierte, ſagt' er der traͤumeriſchen Bea¬
ta, am andern Tage kaͤm er mit dem Friſeur
zu ihr. Die Reſidentin ſagte nichts als: „die
Maͤnner koͤnnen alles; aber das Leichte ſelten; ſie
wirren leichter zehn Prozeſſe als zehn Haare ein.“
Beata konnte nicht reden — zu Nachts konnte ſie
nicht ſchlafen. Ihr ganzes Innere entſetzte ſich
vor des Fuͤrſten Froſtgeſicht und ſtechendem Feuer¬
blick, der (ſo wenig ſie es deutlich dachte) die Praͤ¬
liminarſiege im neuen Schloſſe ſo abzukuͤrzen
brannte als waͤr' er im Palais royal. Am andern
Morgen hatte ſich ihr Wunſch, krank zu werden,
beinahe in die Ueberzeugung, es zu ſeyn verwan¬
B 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/29>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.