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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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schlagenheit rechnete er noch unedler zu seinen
Triumphen . . .

Im Grunde wollt' ich, der Henker holte alle
Welttheile und sich dazu: denn mich hat er halb.
Wenige wissen, daß er mich diese Biographie nicht
zu Ende führen lässet. Ich bin überzeugt, daß ich
nicht am Schlage (wie ich mir neulich unter meinem
gefrornen Kopfzeug einbildete) noch an der Lungen¬
sucht (welches eine wahre Grille war) sterben kann;
aber bürgt mir dieses dafür, daß ich nicht an einem
Herzpolypen scheitern werde, wofür alle mensch¬
liche Wahrscheinlichkeit ist? -- Zum Glück bin ich
nicht so hartnäckig wie Musäus in Weimar, der
das Daseyn des seinigen, den er so gut wie ich den
meinigen, mit kaltem Kaffee groß geätzet, nicht eher
glaubte als bis der Polype sein schönes Herz strangu¬
liert und ihm alle Geburtstage und alle Wünsche für
die seiner Gattin geraubet hatte. Ich sage, ich mer¬
ke besser auf Vorboten von Herzpolypen: ich verber¬
ge mir es nicht, was hinter dem intermittirenden
Pulse steckt, nämlich eben ein wirklicher Herzpolype,
der Zündpfropf des Todes. Die fatale litterarische
Behme, der Rezensenten-Bund, schleicht mit Strik¬
ken um uns gutwillige Narren herum, die wir schrei¬

ſchlagenheit rechnete er noch unedler zu ſeinen
Triumphen . . .

Im Grunde wollt' ich, der Henker holte alle
Welttheile und ſich dazu: denn mich hat er halb.
Wenige wiſſen, daß er mich dieſe Biographie nicht
zu Ende fuͤhren laͤſſet. Ich bin uͤberzeugt, daß ich
nicht am Schlage (wie ich mir neulich unter meinem
gefrornen Kopfzeug einbildete) noch an der Lungen¬
ſucht (welches eine wahre Grille war) ſterben kann;
aber buͤrgt mir dieſes dafuͤr, daß ich nicht an einem
Herzpolypen ſcheitern werde, wofuͤr alle menſch¬
liche Wahrſcheinlichkeit iſt? — Zum Gluͤck bin ich
nicht ſo hartnaͤckig wie Muſaͤus in Weimar, der
das Daſeyn des ſeinigen, den er ſo gut wie ich den
meinigen, mit kaltem Kaffee groß geaͤtzet, nicht eher
glaubte als bis der Polype ſein ſchoͤnes Herz ſtrangu¬
liert und ihm alle Geburtstage und alle Wuͤnſche fuͤr
die ſeiner Gattin geraubet hatte. Ich ſage, ich mer¬
ke beſſer auf Vorboten von Herzpolypen: ich verber¬
ge mir es nicht, was hinter dem intermittirenden
Pulſe ſteckt, naͤmlich eben ein wirklicher Herzpolype,
der Zuͤndpfropf des Todes. Die fatale litterariſche
Behme, der Rezenſenten-Bund, ſchleicht mit Strik¬
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[247/0257] ſchlagenheit rechnete er noch unedler zu ſeinen Triumphen . . . Im Grunde wollt' ich, der Henker holte alle Welttheile und ſich dazu: denn mich hat er halb. Wenige wiſſen, daß er mich dieſe Biographie nicht zu Ende fuͤhren laͤſſet. Ich bin uͤberzeugt, daß ich nicht am Schlage (wie ich mir neulich unter meinem gefrornen Kopfzeug einbildete) noch an der Lungen¬ ſucht (welches eine wahre Grille war) ſterben kann; aber buͤrgt mir dieſes dafuͤr, daß ich nicht an einem Herzpolypen ſcheitern werde, wofuͤr alle menſch¬ liche Wahrſcheinlichkeit iſt? — Zum Gluͤck bin ich nicht ſo hartnaͤckig wie Muſaͤus in Weimar, der das Daſeyn des ſeinigen, den er ſo gut wie ich den meinigen, mit kaltem Kaffee groß geaͤtzet, nicht eher glaubte als bis der Polype ſein ſchoͤnes Herz ſtrangu¬ liert und ihm alle Geburtstage und alle Wuͤnſche fuͤr die ſeiner Gattin geraubet hatte. Ich ſage, ich mer¬ ke beſſer auf Vorboten von Herzpolypen: ich verber¬ ge mir es nicht, was hinter dem intermittirenden Pulſe ſteckt, naͤmlich eben ein wirklicher Herzpolype, der Zuͤndpfropf des Todes. Die fatale litterariſche Behme, der Rezenſenten-Bund, ſchleicht mit Strik¬ ken um uns gutwillige Narren herum, die wir ſchrei¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/257>, abgerufen am 18.05.2024.