der der Beata, hier fälschlich für keinen aus, oder vielmehr, hier kündige er ihr seine Liebe auf. Sein fragendes Erstaunen hieng an ihrem Munde und schwebte ängstlich zwischen seiner Zunge und seinem Ohre. Sie fuhr gleichgültig fort: "Freilich sagt man, daß leibliche Brüder und Schwestern sich sel¬ ten lieben; aber ich bin die erste Ausnahme; Sie werden die zweite sein." Sein Erstaunen wurde Erstarren . . . .
Es würde dem Publikum auch so gehen, wenn ich nicht einen Absatz machte und es belehrte, daß die Residentin gar wohl die Lüge geglaubt haben kann, (im Grunde muß), die sie ihm sagte -- Leute ihres Standes, denen das Furioso der Lust¬ barkeiten-Konzerts immer in die Ohren reisset, hö¬ ren unebenbürtige Neuigkeiten nur mit tau¬ ben oder gar halben -- sie kann mithin noch leich¬ ter als der Leser (und wer steht mir für den?) den verlornen Sohn der Röperin und des Falken¬ bergs mit dem gegenwärtigen der Rittmeisterin und des Falkenbergs vermenget haben -- ihr bisheriges Betragen ist so wenig wider meine Vermuthung als das bisherige des angeblichen Geschwisterpaars gegen ihre war: gleichwohl kann ich mich verrech¬ nen.
der der Beata, hier faͤlſchlich fuͤr keinen aus, oder vielmehr, hier kuͤndige er ihr ſeine Liebe auf. Sein fragendes Erſtaunen hieng an ihrem Munde und ſchwebte aͤngſtlich zwiſchen ſeiner Zunge und ſeinem Ohre. Sie fuhr gleichguͤltig fort: „Freilich ſagt man, daß leibliche Bruͤder und Schweſtern ſich ſel¬ ten lieben; aber ich bin die erſte Ausnahme; Sie werden die zweite ſein.“ Sein Erſtaunen wurde Erſtarren . . . .
Es wuͤrde dem Publikum auch ſo gehen, wenn ich nicht einen Abſatz machte und es belehrte, daß die Reſidentin gar wohl die Luͤge geglaubt haben kann, (im Grunde muß), die ſie ihm ſagte — Leute ihres Standes, denen das Furioſo der Luſt¬ barkeiten-Konzerts immer in die Ohren reiſſet, hoͤ¬ ren unebenbuͤrtige Neuigkeiten nur mit tau¬ ben oder gar halben — ſie kann mithin noch leich¬ ter als der Leſer (und wer ſteht mir fuͤr den?) den verlornen Sohn der Roͤperin und des Falken¬ bergs mit dem gegenwaͤrtigen der Rittmeiſterin und des Falkenbergs vermenget haben — ihr bisheriges Betragen iſt ſo wenig wider meine Vermuthung als das bisherige des angeblichen Geſchwiſterpaars gegen ihre war: gleichwohl kann ich mich verrech¬ nen.
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der der Beata, hier faͤlſchlich fuͤr keinen aus, oder
vielmehr, hier kuͤndige er ihr ſeine Liebe auf. Sein
fragendes Erſtaunen hieng an ihrem Munde und
ſchwebte aͤngſtlich zwiſchen ſeiner Zunge und ſeinem
Ohre. Sie fuhr gleichguͤltig fort: „Freilich ſagt
man, daß leibliche Bruͤder und Schweſtern ſich ſel¬
ten lieben; aber ich bin die erſte Ausnahme; Sie
werden die zweite ſein.“ Sein Erſtaunen wurde
Erſtarren . . . .
Es wuͤrde dem Publikum auch ſo gehen, wenn
ich nicht einen Abſatz machte und es belehrte, daß
die Reſidentin gar wohl die Luͤge geglaubt haben
kann, (im Grunde muß), die ſie ihm ſagte —
Leute ihres Standes, denen das Furioſo der Luſt¬
barkeiten-Konzerts immer in die Ohren reiſſet, hoͤ¬
ren unebenbuͤrtige Neuigkeiten nur mit tau¬
ben oder gar halben — ſie kann mithin noch leich¬
ter als der Leſer (und wer ſteht mir fuͤr den?)
den verlornen Sohn der Roͤperin und des Falken¬
bergs mit dem gegenwaͤrtigen der Rittmeiſterin und
des Falkenbergs vermenget haben — ihr bisheriges
Betragen iſt ſo wenig wider meine Vermuthung
als das bisherige des angeblichen Geſchwiſterpaars
gegen ihre war: gleichwohl kann ich mich verrech¬
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/231>, abgerufen am 04.05.2024.
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