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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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flösten, wollt' er seiner Einzigen bringen, die ein¬
sam war. Gleichwohl war ihm als würde sie durch
diese alle nicht so wohl als durch die Residentin er¬
setzt. Sogar durch das Drama, das mit ihr sich
schloß und in dem er für ihre Krönung gespielet
hatte, wurde sie ihm lieber; ja ihr heutiger Ge¬
burtstag selber war einer ihrer Reize in seinen Au¬
gen. Anders oder vernünftiger empfindet der
Mensch nie. Kurz die Residentin gewann bei al¬
lem, wessen ihn heute das Wegseyn seiner Beata
beraubte. Er hatte heute zum erstenmale mehr
von der Residentin, die er außerordentlich achtete,
angefasset als einen Handschuh -- mehr, nämlich
ihre Arm- und Rückenschienen, mit andern Wor¬
ten ihr Kleid darüber: an Arm und Rücken, aber
nicht an Händen, ist Bekleidung so viel wie keine.
Gustav! philosophiere und schlafe lieber. . .

Aus ist der bal pare -- aber der Teufel geht
erst an. Oefels Wagen fuhr hinter dem Bousi¬
schen; am letztern entzündet sich eine versäumte
Radaxe unter der unnützen Eiligkeit -- -- freilich
wars Zufall, aber gewisse Menschen kennen keinen
schlimmen und ihre Absichten legen sich um jeden
an -- Oefel must' ihr seinen anbieten; die gute

floͤſten, wollt' er ſeiner Einzigen bringen, die ein¬
ſam war. Gleichwohl war ihm als wuͤrde ſie durch
dieſe alle nicht ſo wohl als durch die Reſidentin er¬
ſetzt. Sogar durch das Drama, das mit ihr ſich
ſchloß und in dem er fuͤr ihre Kroͤnung geſpielet
hatte, wurde ſie ihm lieber; ja ihr heutiger Ge¬
burtstag ſelber war einer ihrer Reize in ſeinen Au¬
gen. Anders oder vernuͤnftiger empfindet der
Menſch nie. Kurz die Reſidentin gewann bei al¬
lem, weſſen ihn heute das Wegſeyn ſeiner Beata
beraubte. Er hatte heute zum erſtenmale mehr
von der Reſidentin, die er außerordentlich achtete,
angefaſſet als einen Handſchuh — mehr, naͤmlich
ihre Arm- und Ruͤckenſchienen, mit andern Wor¬
ten ihr Kleid daruͤber: an Arm und Ruͤcken, aber
nicht an Haͤnden, iſt Bekleidung ſo viel wie keine.
Guſtav! philoſophiere und ſchlafe lieber. . .

Aus iſt der bal paré — aber der Teufel geht
erſt an. Oefels Wagen fuhr hinter dem Bouſi¬
ſchen; am letztern entzuͤndet ſich eine verſaͤumte
Radaxe unter der unnuͤtzen Eiligkeit — — freilich
wars Zufall, aber gewiſſe Menſchen kennen keinen
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[215/0225] floͤſten, wollt' er ſeiner Einzigen bringen, die ein¬ ſam war. Gleichwohl war ihm als wuͤrde ſie durch dieſe alle nicht ſo wohl als durch die Reſidentin er¬ ſetzt. Sogar durch das Drama, das mit ihr ſich ſchloß und in dem er fuͤr ihre Kroͤnung geſpielet hatte, wurde ſie ihm lieber; ja ihr heutiger Ge¬ burtstag ſelber war einer ihrer Reize in ſeinen Au¬ gen. Anders oder vernuͤnftiger empfindet der Menſch nie. Kurz die Reſidentin gewann bei al¬ lem, weſſen ihn heute das Wegſeyn ſeiner Beata beraubte. Er hatte heute zum erſtenmale mehr von der Reſidentin, die er außerordentlich achtete, angefaſſet als einen Handſchuh — mehr, naͤmlich ihre Arm- und Ruͤckenſchienen, mit andern Wor¬ ten ihr Kleid daruͤber: an Arm und Ruͤcken, aber nicht an Haͤnden, iſt Bekleidung ſo viel wie keine. Guſtav! philoſophiere und ſchlafe lieber. . . Aus iſt der bal paré — aber der Teufel geht erſt an. Oefels Wagen fuhr hinter dem Bouſi¬ ſchen; am letztern entzuͤndet ſich eine verſaͤumte Radaxe unter der unnuͤtzen Eiligkeit — — freilich wars Zufall, aber gewiſſe Menſchen kennen keinen ſchlimmen und ihre Abſichten legen ſich um jeden an — Oefel muſt' ihr ſeinen anbieten; die gute

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/225>, abgerufen am 04.05.2024.