Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite
Drei und dreißigster oder XXV. Trinitatis Sekt.

Große Aloe-Blüthen der Liebe: oder das Grab
-- der Traum -- die Orgel nebst meinem Schlagfluß, Pelz¬
stiefel und Eis-Liripipium


In Gustav rückten die höchsten Lichter aus des
Freundes Bild langsam in das der Geliebten über.
Jezt trat erst ihr Gesicht, das am Todtenbette
ein ewiges Feuer in ihn geworfen hatte, aus dem
Zypressen-Schatten vor. Die einsame Pyramide
stand erhaben als Wach-Engel neben dem Begrab¬
nen. Er trug sich hinauf, mit Schmerzen, aber
mit sanftern: er hatte doch jezt den unbeschreiblich
süßen Trost, den Menschen in der Erde nie ge¬
kränkt, und ihm oft verziehen zu haben; er
wünschte, Amandus hätte seine Verzeihung noch
öfter veranlasset; sogar das deckte seinen wunden
Busen mit warmem Troste zu, daß er jezt ihn so
liebe, so betrauere, ungesehen, unbelohnet.

Oben trat er noch in einige Leidens-Dornen,
worüber man laut aufschreiet: aber bald flogen
seine Augen sehnend auf der Licht-Brücke, die
von einer Lampe aus Beatens Zimmer über den

Drei und dreißigſter oder XXV. Trinitatis Sekt.

Große Aloe-Blüthen der Liebe: oder das Grab
— der Traum — die Orgel nebſt meinem Schlagfluß, Pelz¬
ſtiefel und Eis-Liripipium


In Guſtav ruͤckten die hoͤchſten Lichter aus des
Freundes Bild langſam in das der Geliebten uͤber.
Jezt trat erſt ihr Geſicht, das am Todtenbette
ein ewiges Feuer in ihn geworfen hatte, aus dem
Zypreſſen-Schatten vor. Die einſame Pyramide
ſtand erhaben als Wach-Engel neben dem Begrab¬
nen. Er trug ſich hinauf, mit Schmerzen, aber
mit ſanftern: er hatte doch jezt den unbeſchreiblich
ſuͤßen Troſt, den Menſchen in der Erde nie ge¬
kraͤnkt, und ihm oft verziehen zu haben; er
wuͤnſchte, Amandus haͤtte ſeine Verzeihung noch
oͤfter veranlaſſet; ſogar das deckte ſeinen wunden
Buſen mit warmem Troſte zu, daß er jezt ihn ſo
liebe, ſo betrauere, ungeſehen, unbelohnet.

Oben trat er noch in einige Leidens-Dornen,
woruͤber man laut aufſchreiet: aber bald flogen
ſeine Augen ſehnend auf der Licht-Bruͤcke, die
von einer Lampe aus Beatens Zimmer uͤber den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0128" n="118"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Drei und dreißig&#x017F;ter oder XXV. Trinitatis Sekt.<lb/></head>
          <argument>
            <p rendition="#c">Große Aloe-Blüthen der Liebe: oder das Grab<lb/>
&#x2014; der Traum &#x2014; die Orgel neb&#x017F;t meinem Schlagfluß, Pelz¬<lb/>
&#x017F;tiefel und Eis-Liripipium</p>
          </argument><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>n Gu&#x017F;tav ru&#x0364;ckten die ho&#x0364;ch&#x017F;ten Lichter aus des<lb/>
Freundes Bild lang&#x017F;am in das der Geliebten u&#x0364;ber.<lb/>
Jezt trat er&#x017F;t ihr Ge&#x017F;icht, das am Todtenbette<lb/>
ein ewiges Feuer in ihn geworfen hatte, aus dem<lb/>
Zypre&#x017F;&#x017F;en-Schatten vor. Die ein&#x017F;ame Pyramide<lb/>
&#x017F;tand erhaben als Wach-Engel neben dem Begrab¬<lb/>
nen. Er trug &#x017F;ich hinauf, mit Schmerzen, aber<lb/>
mit &#x017F;anftern: er hatte doch jezt den unbe&#x017F;chreiblich<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ßen Tro&#x017F;t, den Men&#x017F;chen in der Erde nie ge¬<lb/>
kra&#x0364;nkt, und ihm oft verziehen zu haben; er<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte, Amandus ha&#x0364;tte &#x017F;eine Verzeihung noch<lb/>
o&#x0364;fter veranla&#x017F;&#x017F;et; &#x017F;ogar <hi rendition="#g">das</hi> deckte &#x017F;einen wunden<lb/>
Bu&#x017F;en mit warmem Tro&#x017F;te zu, daß er jezt ihn &#x017F;o<lb/>
liebe, &#x017F;o betrauere, unge&#x017F;ehen, unbelohnet.</p><lb/>
          <p>Oben trat er noch in einige Leidens-Dornen,<lb/>
woru&#x0364;ber man laut auf&#x017F;chreiet: aber bald flogen<lb/>
&#x017F;eine Augen &#x017F;ehnend auf der Licht-Bru&#x0364;cke, die<lb/>
von einer Lampe aus Beatens Zimmer u&#x0364;ber den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0128] Drei und dreißigſter oder XXV. Trinitatis Sekt. Große Aloe-Blüthen der Liebe: oder das Grab — der Traum — die Orgel nebſt meinem Schlagfluß, Pelz¬ ſtiefel und Eis-Liripipium In Guſtav ruͤckten die hoͤchſten Lichter aus des Freundes Bild langſam in das der Geliebten uͤber. Jezt trat erſt ihr Geſicht, das am Todtenbette ein ewiges Feuer in ihn geworfen hatte, aus dem Zypreſſen-Schatten vor. Die einſame Pyramide ſtand erhaben als Wach-Engel neben dem Begrab¬ nen. Er trug ſich hinauf, mit Schmerzen, aber mit ſanftern: er hatte doch jezt den unbeſchreiblich ſuͤßen Troſt, den Menſchen in der Erde nie ge¬ kraͤnkt, und ihm oft verziehen zu haben; er wuͤnſchte, Amandus haͤtte ſeine Verzeihung noch oͤfter veranlaſſet; ſogar das deckte ſeinen wunden Buſen mit warmem Troſte zu, daß er jezt ihn ſo liebe, ſo betrauere, ungeſehen, unbelohnet. Oben trat er noch in einige Leidens-Dornen, woruͤber man laut aufſchreiet: aber bald flogen ſeine Augen ſehnend auf der Licht-Bruͤcke, die von einer Lampe aus Beatens Zimmer uͤber den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/128
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/128>, abgerufen am 24.11.2024.