fakt im guten Sinne und unter ihren festen Thei¬ len der erste ist und das recht schön verräth, daß sie sich an die Unsterblichkeit der Seele halten und daß sie, wenn sie einen von den Ihrigen begraben lassen, nicht zu Hause sind.
Auf einmal legte sich der Doktor auf das Pult des Beichtstuhls nieder und bedeckte das Gesicht; er stand wieder auf und sah mit einem Auge, daß er nicht abtrocknen konnte, nach dem aufgedeckten Leichnam hin und suchte vergeblich zu sehen. Gu¬ stav schauete auch hin und die Gestalt war ihm be¬ kannt, aber kein Name, um den er vergeblich den sprachlosen Doktor fragte -- endlich nennte der Pa¬ stor den Namen. Ich brauch' es nicht erst in Dop¬ pel-Fraktur zu sagen, daß der Todte, auf dem jezt so viele harte Augen und ein Paar trostlose ruh¬ ten, so aussah wie der Schauspieler Reinecke, des¬ sen edle Bildung jezt auch der schwere Grabstein aus¬ einander drückt -- ich hab' es nicht nöthig, dem Pa¬ stor den Namen Ottomar nachzusprechen. Der arme Doktor schien seit einiger Zeit bestimmt zu seyn, daß der Schmerz seine Nerven zu einem Ner¬ ven-Präparat herauslösete und sich daran üb¬ te. Sonderbar wars, das Gustav nicht am ge¬
fakt im guten Sinne und unter ihren feſten Thei¬ len der erſte iſt und das recht ſchoͤn verraͤth, daß ſie ſich an die Unſterblichkeit der Seele halten und daß ſie, wenn ſie einen von den Ihrigen begraben laſſen, nicht zu Hauſe ſind.
Auf einmal legte ſich der Doktor auf das Pult des Beichtſtuhls nieder und bedeckte das Geſicht; er ſtand wieder auf und ſah mit einem Auge, daß er nicht abtrocknen konnte, nach dem aufgedeckten Leichnam hin und ſuchte vergeblich zu ſehen. Gu¬ ſtav ſchauete auch hin und die Geſtalt war ihm be¬ kannt, aber kein Name, um den er vergeblich den ſprachloſen Doktor fragte — endlich nennte der Pa¬ ſtor den Namen. Ich brauch' es nicht erſt in Dop¬ pel-Fraktur zu ſagen, daß der Todte, auf dem jezt ſo viele harte Augen und ein Paar troſtloſe ruh¬ ten, ſo ausſah wie der Schauſpieler Reinecke, deſ¬ ſen edle Bildung jezt auch der ſchwere Grabſtein aus¬ einander druͤckt — ich hab' es nicht noͤthig, dem Pa¬ ſtor den Namen Ottomar nachzuſprechen. Der arme Doktor ſchien ſeit einiger Zeit beſtimmt zu ſeyn, daß der Schmerz ſeine Nerven zu einem Ner¬ ven-Praͤparat herausloͤſete und ſich daran uͤb¬ te. Sonderbar wars, das Guſtav nicht am ge¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0124"n="114"/>
fakt im guten Sinne und unter ihren <hirendition="#g">feſten Thei¬<lb/>
len</hi> der erſte iſt und das recht ſchoͤn verraͤth, daß ſie<lb/>ſich an die Unſterblichkeit der Seele halten und daß<lb/>ſie, wenn ſie einen von den Ihrigen begraben laſſen,<lb/>
nicht zu Hauſe ſind.</p><lb/><p>Auf einmal legte ſich der Doktor auf das Pult<lb/>
des Beichtſtuhls nieder und bedeckte das Geſicht; er<lb/>ſtand wieder auf und ſah mit einem Auge, daß er<lb/>
nicht abtrocknen konnte, nach dem aufgedeckten<lb/>
Leichnam hin und ſuchte vergeblich zu ſehen. Gu¬<lb/>ſtav ſchauete auch hin und die Geſtalt war ihm be¬<lb/>
kannt, aber kein Name, um den er vergeblich den<lb/>ſprachloſen Doktor fragte — endlich nennte der Pa¬<lb/>ſtor den Namen. Ich brauch' es nicht erſt in Dop¬<lb/>
pel-Fraktur zu ſagen, daß der Todte, auf dem<lb/>
jezt ſo viele harte Augen und ein Paar troſtloſe ruh¬<lb/>
ten, ſo ausſah wie der Schauſpieler <hirendition="#g">Reinecke</hi>, deſ¬<lb/>ſen edle Bildung jezt auch der ſchwere Grabſtein aus¬<lb/>
einander druͤckt — ich hab' es nicht noͤthig, dem Pa¬<lb/>ſtor den Namen <hirendition="#g">Ottomar</hi> nachzuſprechen. Der<lb/>
arme Doktor ſchien ſeit einiger Zeit beſtimmt zu<lb/>ſeyn, daß der Schmerz ſeine Nerven zu einem <hirendition="#g">Ner¬<lb/>
ven-Praͤparat</hi> herausloͤſete und ſich daran uͤb¬<lb/>
te. Sonderbar wars, das Guſtav nicht am ge¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[114/0124]
fakt im guten Sinne und unter ihren feſten Thei¬
len der erſte iſt und das recht ſchoͤn verraͤth, daß ſie
ſich an die Unſterblichkeit der Seele halten und daß
ſie, wenn ſie einen von den Ihrigen begraben laſſen,
nicht zu Hauſe ſind.
Auf einmal legte ſich der Doktor auf das Pult
des Beichtſtuhls nieder und bedeckte das Geſicht; er
ſtand wieder auf und ſah mit einem Auge, daß er
nicht abtrocknen konnte, nach dem aufgedeckten
Leichnam hin und ſuchte vergeblich zu ſehen. Gu¬
ſtav ſchauete auch hin und die Geſtalt war ihm be¬
kannt, aber kein Name, um den er vergeblich den
ſprachloſen Doktor fragte — endlich nennte der Pa¬
ſtor den Namen. Ich brauch' es nicht erſt in Dop¬
pel-Fraktur zu ſagen, daß der Todte, auf dem
jezt ſo viele harte Augen und ein Paar troſtloſe ruh¬
ten, ſo ausſah wie der Schauſpieler Reinecke, deſ¬
ſen edle Bildung jezt auch der ſchwere Grabſtein aus¬
einander druͤckt — ich hab' es nicht noͤthig, dem Pa¬
ſtor den Namen Ottomar nachzuſprechen. Der
arme Doktor ſchien ſeit einiger Zeit beſtimmt zu
ſeyn, daß der Schmerz ſeine Nerven zu einem Ner¬
ven-Praͤparat herausloͤſete und ſich daran uͤb¬
te. Sonderbar wars, das Guſtav nicht am ge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/124>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.