Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechster Sektor oder Ausschnitt.

Gewaltsame Entführung des schönen Gesichts -- wichtiges
Portrait.


Das Erstaunen Gustavs, zu dem ihn den ganzen
Tag ein Gegenstand nach dem andern anstrengte,
und die Entbehrung des Schlafs endigten seinen
ersten Himmelstag mit meinem Fieberabend, den
er verweint hätte, auch ohne einen Grund zu ha¬
ben. Aber er hatt' ihn: sein Genius war wäh¬
rend dem Tumulte im Garten, mit einem sprachlo¬
sen Kusse von dem Liebling fortgezogen. Er hatte
der Mutter etwas Sonderbares dagelassen. Er zer¬
schnitt ein Notenblatt in zwei Hälften; die eine
enthielt die Dissonanzen der Melodie und die Fra¬
gen des Textes dazu, auf der andern standen die
Auflösungen und die Antworten. Die dissonirende
Hälfte sollte sein Gustav bekommen; die andere be¬
hielt er: "ich und mein Freund, sagt er, erken¬
"nen einmal in der wüsten Welt einander daran,
"daß er Fragen hat zu denen ich Antworten habe."
Auch den Pudel der immer größer wurde nahm er

Sechſter Sektor oder Ausſchnitt.

Gewaltſame Entführung des ſchönen Geſichts — wichtiges
Portrait.


Das Erſtaunen Guſtavs, zu dem ihn den ganzen
Tag ein Gegenſtand nach dem andern anſtrengte,
und die Entbehrung des Schlafs endigten ſeinen
erſten Himmelstag mit meinem Fieberabend, den
er verweint haͤtte, auch ohne einen Grund zu ha¬
ben. Aber er hatt' ihn: ſein Genius war waͤh¬
rend dem Tumulte im Garten, mit einem ſprachlo¬
ſen Kuſſe von dem Liebling fortgezogen. Er hatte
der Mutter etwas Sonderbares dagelaſſen. Er zer¬
ſchnitt ein Notenblatt in zwei Haͤlften; die eine
enthielt die Diſſonanzen der Melodie und die Fra¬
gen des Textes dazu, auf der andern ſtanden die
Aufloͤſungen und die Antworten. Die diſſonirende
Haͤlfte ſollte ſein Guſtav bekommen; die andere be¬
hielt er: „ich und mein Freund, ſagt er, erken¬
„nen einmal in der wuͤſten Welt einander daran,
„daß er Fragen hat zu denen ich Antworten habe.“
Auch den Pudel der immer groͤßer wurde nahm er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0098" n="62"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Sech&#x017F;ter Sektor oder Aus&#x017F;chnitt.</hi><lb/>
          </head>
          <argument>
            <p rendition="#c">Gewalt&#x017F;ame Entführung des &#x017F;chönen Ge&#x017F;ichts &#x2014; wichtiges<lb/>
Portrait.</p>
          </argument><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>as Er&#x017F;taunen Gu&#x017F;tavs, zu dem ihn den ganzen<lb/>
Tag ein Gegen&#x017F;tand nach dem andern an&#x017F;trengte,<lb/>
und die Entbehrung des Schlafs endigten &#x017F;einen<lb/>
er&#x017F;ten Himmelstag mit meinem Fieberabend, den<lb/>
er verweint ha&#x0364;tte, auch ohne einen Grund zu ha¬<lb/>
ben. Aber er hatt' ihn: &#x017F;ein Genius war wa&#x0364;<lb/>
rend dem Tumulte im Garten, mit einem &#x017F;prachlo¬<lb/>
&#x017F;en Ku&#x017F;&#x017F;e von dem Liebling fortgezogen. Er hatte<lb/>
der Mutter etwas Sonderbares dagela&#x017F;&#x017F;en. Er zer¬<lb/>
&#x017F;chnitt ein Notenblatt in zwei Ha&#x0364;lften; die eine<lb/>
enthielt die Di&#x017F;&#x017F;onanzen der Melodie und die Fra¬<lb/>
gen des Textes dazu, auf der andern &#x017F;tanden die<lb/>
Auflo&#x0364;&#x017F;ungen und die Antworten. Die di&#x017F;&#x017F;onirende<lb/>
Ha&#x0364;lfte &#x017F;ollte &#x017F;ein Gu&#x017F;tav bekommen; die andere be¬<lb/>
hielt er: &#x201E;ich und mein Freund, &#x017F;agt er, erken¬<lb/>
&#x201E;nen einmal in der wu&#x0364;&#x017F;ten Welt einander daran,<lb/>
&#x201E;daß er Fragen hat zu denen ich Antworten habe.&#x201C;<lb/>
Auch den Pudel der immer gro&#x0364;ßer wurde nahm er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0098] Sechſter Sektor oder Ausſchnitt. Gewaltſame Entführung des ſchönen Geſichts — wichtiges Portrait. Das Erſtaunen Guſtavs, zu dem ihn den ganzen Tag ein Gegenſtand nach dem andern anſtrengte, und die Entbehrung des Schlafs endigten ſeinen erſten Himmelstag mit meinem Fieberabend, den er verweint haͤtte, auch ohne einen Grund zu ha¬ ben. Aber er hatt' ihn: ſein Genius war waͤh¬ rend dem Tumulte im Garten, mit einem ſprachlo¬ ſen Kuſſe von dem Liebling fortgezogen. Er hatte der Mutter etwas Sonderbares dagelaſſen. Er zer¬ ſchnitt ein Notenblatt in zwei Haͤlften; die eine enthielt die Diſſonanzen der Melodie und die Fra¬ gen des Textes dazu, auf der andern ſtanden die Aufloͤſungen und die Antworten. Die diſſonirende Haͤlfte ſollte ſein Guſtav bekommen; die andere be¬ hielt er: „ich und mein Freund, ſagt er, erken¬ „nen einmal in der wuͤſten Welt einander daran, „daß er Fragen hat zu denen ich Antworten habe.“ Auch den Pudel der immer groͤßer wurde nahm er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/98
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/98>, abgerufen am 24.11.2024.