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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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mal die Möglichkeit, mit ins alte Schloß zu kom¬
men, zu verrathen: "um so mehr reiz' ich ihn"
sagt' er. Es war aber nichts mit dem Rei¬
zen, weil Gustav noch nicht aus den poetischen
Idyllen-Jahren, wo der aufrichtige Jüngling Hö¬
fe und Verstellung hasset, in die abgekühlten hin¬
über war, wo er sie sucht. Oefel studierte, wie
Hofleute und Weiber, nur Individuen, nicht den
Menschen.

Jetzt wurde die zweite Parallele gezogen und der
Festung schon näher gerückt. Er gieng einmal an
einem Vormittage mit ihm in den Park spatzieren,
da er gerade die Residentin darin wußte. Wäh¬
rend er sie unterhielt, beobachtete er Gustavs Be¬
obachten oder erröthendes Staunen, der noch in
seinem Leben vor keiner solchen Frau gestanden war,
um die sich alle Reize herumschlangen, verdoppel¬
ten, einander verloren wie dreifache Regenbögen
um den Himmel. Und du, Blumen-Seele, Bea¬
ta, deren Wurzeln auf dem irdischen Sandboden
so selten die rechte Blumenerde finden, standest
auch dabei, mit einer Aufmerksamkeit auf die Re¬
sidentin, die eine unschuldige Maske deiner kleinen
Verwirrung seyn sollte. -- Gustav brachte für sei¬

mal die Moͤglichkeit, mit ins alte Schloß zu kom¬
men, zu verrathen: „um ſo mehr reiz' ich ihn“
ſagt' er. Es war aber nichts mit dem Rei¬
zen, weil Guſtav noch nicht aus den poetiſchen
Idyllen-Jahren, wo der aufrichtige Juͤngling Hoͤ¬
fe und Verſtellung haſſet, in die abgekuͤhlten hin¬
uͤber war, wo er ſie ſucht. Oefel ſtudierte, wie
Hofleute und Weiber, nur Individuen, nicht den
Menſchen.

Jetzt wurde die zweite Parallele gezogen und der
Feſtung ſchon naͤher geruͤckt. Er gieng einmal an
einem Vormittage mit ihm in den Park ſpatzieren,
da er gerade die Reſidentin darin wußte. Waͤh¬
rend er ſie unterhielt, beobachtete er Guſtavs Be¬
obachten oder erroͤthendes Staunen, der noch in
ſeinem Leben vor keiner ſolchen Frau geſtanden war,
um die ſich alle Reize herumſchlangen, verdoppel¬
ten, einander verloren wie dreifache Regenboͤgen
um den Himmel. Und du, Blumen-Seele, Bea¬
ta, deren Wurzeln auf dem irdiſchen Sandboden
ſo ſelten die rechte Blumenerde finden, ſtandeſt
auch dabei, mit einer Aufmerkſamkeit auf die Re¬
ſidentin, die eine unſchuldige Maske deiner kleinen
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[347/0383] mal die Moͤglichkeit, mit ins alte Schloß zu kom¬ men, zu verrathen: „um ſo mehr reiz' ich ihn“ ſagt' er. Es war aber nichts mit dem Rei¬ zen, weil Guſtav noch nicht aus den poetiſchen Idyllen-Jahren, wo der aufrichtige Juͤngling Hoͤ¬ fe und Verſtellung haſſet, in die abgekuͤhlten hin¬ uͤber war, wo er ſie ſucht. Oefel ſtudierte, wie Hofleute und Weiber, nur Individuen, nicht den Menſchen. Jetzt wurde die zweite Parallele gezogen und der Feſtung ſchon naͤher geruͤckt. Er gieng einmal an einem Vormittage mit ihm in den Park ſpatzieren, da er gerade die Reſidentin darin wußte. Waͤh¬ rend er ſie unterhielt, beobachtete er Guſtavs Be¬ obachten oder erroͤthendes Staunen, der noch in ſeinem Leben vor keiner ſolchen Frau geſtanden war, um die ſich alle Reize herumſchlangen, verdoppel¬ ten, einander verloren wie dreifache Regenboͤgen um den Himmel. Und du, Blumen-Seele, Bea¬ ta, deren Wurzeln auf dem irdiſchen Sandboden ſo ſelten die rechte Blumenerde finden, ſtandeſt auch dabei, mit einer Aufmerkſamkeit auf die Re¬ ſidentin, die eine unſchuldige Maske deiner kleinen Verwirrung ſeyn ſollte. — Guſtav brachte fuͤr ſei¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/383>, abgerufen am 24.11.2024.