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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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ändert? wer kann dich zurück verändern? wer
will dir aus dem Herzen scheuern deine Gedanken
an fremde Blicke, deine Gier, bewundert, aber
nicht geliebt zu werden, deine Koketterie, wel¬
che Liebe nur erregen nicht erwiedern will, und
alles das was dein Herz unterscheidet von deinem
vorigen Herzen und von Beatens ewigen? -- --
mit meiner Schwester wollt' ich also nicht gern
das Schloß verengern, auf dem sie übrigens alle
Tage ein Paar Stunden versitzet.

Jezt hab' ich dem Leser beigebracht, woran
er ist: wir wenden uns wieder zu Gustavs Wagen
und sind alle zufrieden, Leser, Setzer und Schreiber.

Gustav fuhr in einer Trunkenheit des Schmer¬
zes, die der schöne Himmel in Thränen auflösete,
nach Scheerau und hielt jede Schwalbe und Biene,
die unserem Schlosse zuflogen, für glücklich, die
nächsten zehn Jahre hiengen als zehn Vorhänge
vor ihm düster nieder "und liegen, fragt' er sich,
Todtengerippe, Raubthiere oder Paradiese hinter
den Vorhängen?" -- was ohne Vorhang vor ihm
saß und dozierte, sah er auch nicht, den Profes¬
sor. Zwei Stunden vor Scheerau schrieb er mir
mit jener flammenden Dankbarkeit, die aus dem

aͤndert? wer kann dich zuruͤck veraͤndern? wer
will dir aus dem Herzen ſcheuern deine Gedanken
an fremde Blicke, deine Gier, bewundert, aber
nicht geliebt zu werden, deine Koketterie, wel¬
che Liebe nur erregen nicht erwiedern will, und
alles das was dein Herz unterſcheidet von deinem
vorigen Herzen und von Beatens ewigen? — —
mit meiner Schweſter wollt' ich alſo nicht gern
das Schloß verengern, auf dem ſie uͤbrigens alle
Tage ein Paar Stunden verſitzet.

Jezt hab' ich dem Leſer beigebracht, woran
er iſt: wir wenden uns wieder zu Guſtavs Wagen
und ſind alle zufrieden, Leſer, Setzer und Schreiber.

Guſtav fuhr in einer Trunkenheit des Schmer¬
zes, die der ſchoͤne Himmel in Thraͤnen aufloͤſete,
nach Scheerau und hielt jede Schwalbe und Biene,
die unſerem Schloſſe zuflogen, fuͤr gluͤcklich, die
naͤchſten zehn Jahre hiengen als zehn Vorhaͤnge
vor ihm duͤſter nieder „und liegen, fragt' er ſich,
Todtengerippe, Raubthiere oder Paradieſe hinter
den Vorhaͤngen?“ — was ohne Vorhang vor ihm
ſaß und dozierte, ſah er auch nicht, den Profeſ¬
ſor. Zwei Stunden vor Scheerau ſchrieb er mir
mit jener flammenden Dankbarkeit, die aus dem

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[292/0328] aͤndert? wer kann dich zuruͤck veraͤndern? wer will dir aus dem Herzen ſcheuern deine Gedanken an fremde Blicke, deine Gier, bewundert, aber nicht geliebt zu werden, deine Koketterie, wel¬ che Liebe nur erregen nicht erwiedern will, und alles das was dein Herz unterſcheidet von deinem vorigen Herzen und von Beatens ewigen? — — mit meiner Schweſter wollt' ich alſo nicht gern das Schloß verengern, auf dem ſie uͤbrigens alle Tage ein Paar Stunden verſitzet. Jezt hab' ich dem Leſer beigebracht, woran er iſt: wir wenden uns wieder zu Guſtavs Wagen und ſind alle zufrieden, Leſer, Setzer und Schreiber. Guſtav fuhr in einer Trunkenheit des Schmer¬ zes, die der ſchoͤne Himmel in Thraͤnen aufloͤſete, nach Scheerau und hielt jede Schwalbe und Biene, die unſerem Schloſſe zuflogen, fuͤr gluͤcklich, die naͤchſten zehn Jahre hiengen als zehn Vorhaͤnge vor ihm duͤſter nieder „und liegen, fragt' er ſich, Todtengerippe, Raubthiere oder Paradieſe hinter den Vorhaͤngen?“ — was ohne Vorhang vor ihm ſaß und dozierte, ſah er auch nicht, den Profeſ¬ ſor. Zwei Stunden vor Scheerau ſchrieb er mir mit jener flammenden Dankbarkeit, die aus dem

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/328>, abgerufen am 12.05.2024.