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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Erstlich bin ich zwar Ein Jahr hinter Gustavs
Leben zurück; aber in acht Wochen gedenk' ich solches
erschrieben zu haben. Ich dachte freilich schon vor
einem halben Jahre; jezt käm' ich ihm nach; aber
ein Leben ist leichter zu führen als zu schildern zumal
gut stylisirt. Ueberhaupt kann ein Autor -- ein gu¬
ter -- leichter die Sterne des Himmels zählen als
seine zukünftigen Bogen, die auch Sterne sind.
Schlüßlich erwartet man, daß die Litteratur-Zei¬
tung wenigstens so viel bedenke, daß ich ein Rechts¬
freund bin und unmöglich für sie so viel zu schreiben
vermag wie für ganze Kollegien, Fakultäten und
höchste Reichsgerichte. Kennt die Litteratur-Zei¬
tung meine entsetzlichen Arbeiten? man muß meinen
Speiseschrank voll Manualakten gesehen haben, in
denen noch dazu kein Wort steht weil ich sie erst aus
der Papiermühle holen ließ, oder man muß in mei¬
ner Gerichtshalterei in Schwenz, worin die 12 Un¬
terthanen und der Lehn- und Gerichtsherr selber
Bauern sind, gewesen seyn, um von mir nicht mehr
zu fordern als jährlich ein Buch. Wer ist um ganz
Scheerau derjenige Sachwalter, der in einem Pro¬
zesse dient, welcher mit Nächstem -- der Teufel mü¬
ste sein Spiel haben -- zum Wetzlaer Thor unter die

Sessions¬

Erſtlich bin ich zwar Ein Jahr hinter Guſtavs
Leben zuruͤck; aber in acht Wochen gedenk' ich ſolches
erſchrieben zu haben. Ich dachte freilich ſchon vor
einem halben Jahre; jezt kaͤm' ich ihm nach; aber
ein Leben iſt leichter zu fuͤhren als zu ſchildern zumal
gut ſtyliſirt. Ueberhaupt kann ein Autor — ein gu¬
ter — leichter die Sterne des Himmels zaͤhlen als
ſeine zukuͤnftigen Bogen, die auch Sterne ſind.
Schluͤßlich erwartet man, daß die Litteratur-Zei¬
tung wenigſtens ſo viel bedenke, daß ich ein Rechts¬
freund bin und unmoͤglich fuͤr ſie ſo viel zu ſchreiben
vermag wie fuͤr ganze Kollegien, Fakultaͤten und
hoͤchſte Reichsgerichte. Kennt die Litteratur-Zei¬
tung meine entſetzlichen Arbeiten? man muß meinen
Speiſeſchrank voll Manualakten geſehen haben, in
denen noch dazu kein Wort ſteht weil ich ſie erſt aus
der Papiermuͤhle holen ließ, oder man muß in mei¬
ner Gerichtshalterei in Schwenz, worin die 12 Un¬
terthanen und der Lehn- und Gerichtsherr ſelber
Bauern ſind, geweſen ſeyn, um von mir nicht mehr
zu fordern als jaͤhrlich ein Buch. Wer iſt um ganz
Scheerau derjenige Sachwalter, der in einem Pro¬
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ſte ſein Spiel haben — zum Wetzlaer Thor unter die

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[288/0324] Erſtlich bin ich zwar Ein Jahr hinter Guſtavs Leben zuruͤck; aber in acht Wochen gedenk' ich ſolches erſchrieben zu haben. Ich dachte freilich ſchon vor einem halben Jahre; jezt kaͤm' ich ihm nach; aber ein Leben iſt leichter zu fuͤhren als zu ſchildern zumal gut ſtyliſirt. Ueberhaupt kann ein Autor — ein gu¬ ter — leichter die Sterne des Himmels zaͤhlen als ſeine zukuͤnftigen Bogen, die auch Sterne ſind. Schluͤßlich erwartet man, daß die Litteratur-Zei¬ tung wenigſtens ſo viel bedenke, daß ich ein Rechts¬ freund bin und unmoͤglich fuͤr ſie ſo viel zu ſchreiben vermag wie fuͤr ganze Kollegien, Fakultaͤten und hoͤchſte Reichsgerichte. Kennt die Litteratur-Zei¬ tung meine entſetzlichen Arbeiten? man muß meinen Speiſeſchrank voll Manualakten geſehen haben, in denen noch dazu kein Wort ſteht weil ich ſie erſt aus der Papiermuͤhle holen ließ, oder man muß in mei¬ ner Gerichtshalterei in Schwenz, worin die 12 Un¬ terthanen und der Lehn- und Gerichtsherr ſelber Bauern ſind, geweſen ſeyn, um von mir nicht mehr zu fordern als jaͤhrlich ein Buch. Wer iſt um ganz Scheerau derjenige Sachwalter, der in einem Pro¬ zeſſe dient, welcher mit Naͤchſtem — der Teufel muͤ¬ ſte ſein Spiel haben — zum Wetzlaer Thor unter die Seſſions¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/324>, abgerufen am 21.11.2024.