Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Tugenden trennen: sie wird neben seiner Liebe zur
Ministerin seine zu ihr selber gar nicht sehen und
nicht glauben; sie wird ihrer Seele keinen Oefel¬
schen sentimentalischen Floskeln öffnen, die wie das
falsche Geld bald zu groß bald zu klein sind -- Sie
wird vielmehr finden, an einem ehrlichen Jean Paul
ist mehr dran; sie wird hoff' ich besagtem Paul die
Aehnlichkeit, die er mit Oefel in einigen Vorzü¬
gen haben mag, gern verzeihen, weil er ohne
seine Fehler ist, und mit einem treuen bescheide¬
nen Herzen vor ihr steht, das kaum den Muth hat,
ihr das feinste Goldblatt des Lobes leise aufzuhau¬
chen und welches schweigt auch mißverstanden und
resignirt auch ohne versucht zu haben..... Sie
wird in ihrem Urtheile gerade so von den alten
Landfräulein abweichen wie ich von den jungen Land¬
junkern, die mit da saßen. Denn Oefels Erschei¬
nung nahm ihnen allen vorigen Witz und Verstand
und sein quecksilberner Anstand goß alle ihre Glie¬
der mit Blei aus; sie zogen in einer Falkenbaize,
wo ein solcher Vogel die weiblichen Herzen stieß,
ihre plumpen Schwingen an sich und bewunderten
vermöge der männlichen Aufrichtigkeit statt der weib¬
lichen
Reize seine -- Hingegen Jean Paul blieb wie
er war und ließ sich nichts anhaben.

Tugenden trennen: ſie wird neben ſeiner Liebe zur
Miniſterin ſeine zu ihr ſelber gar nicht ſehen und
nicht glauben; ſie wird ihrer Seele keinen Oefel¬
ſchen ſentimentaliſchen Floſkeln oͤffnen, die wie das
falſche Geld bald zu groß bald zu klein ſind — Sie
wird vielmehr finden, an einem ehrlichen Jean Paul
iſt mehr dran; ſie wird hoff' ich beſagtem Paul die
Aehnlichkeit, die er mit Oefel in einigen Vorzuͤ¬
gen haben mag, gern verzeihen, weil er ohne
ſeine Fehler iſt, und mit einem treuen beſcheide¬
nen Herzen vor ihr ſteht, das kaum den Muth hat,
ihr das feinſte Goldblatt des Lobes leiſe aufzuhau¬
chen und welches ſchweigt auch mißverſtanden und
reſignirt auch ohne verſucht zu haben..... Sie
wird in ihrem Urtheile gerade ſo von den alten
Landfraͤulein abweichen wie ich von den jungen Land¬
junkern, die mit da ſaßen. Denn Oefels Erſchei¬
nung nahm ihnen allen vorigen Witz und Verſtand
und ſein queckſilberner Anſtand goß alle ihre Glie¬
der mit Blei aus; ſie zogen in einer Falkenbaize,
wo ein ſolcher Vogel die weiblichen Herzen ſtieß,
ihre plumpen Schwingen an ſich und bewunderten
vermoͤge der maͤnnlichen Aufrichtigkeit ſtatt der weib¬
lichen
Reize ſeine — Hingegen Jean Paul blieb wie
er war und ließ ſich nichts anhaben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0304" n="268"/>
Tugenden trennen: &#x017F;ie wird neben &#x017F;einer Liebe zur<lb/>
Mini&#x017F;terin &#x017F;eine zu ihr &#x017F;elber gar nicht &#x017F;ehen und<lb/>
nicht glauben; &#x017F;ie wird ihrer Seele keinen Oefel¬<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;entimentali&#x017F;chen Flo&#x017F;keln o&#x0364;ffnen, die wie das<lb/>
fal&#x017F;che Geld bald zu groß bald zu klein &#x017F;ind &#x2014; Sie<lb/>
wird vielmehr finden, an einem ehrlichen <hi rendition="#aq">Jean Paul</hi><lb/>
i&#x017F;t mehr dran; &#x017F;ie wird hoff' ich be&#x017F;agtem Paul die<lb/>
Aehnlichkeit, die er mit Oefel in einigen Vorzu&#x0364;¬<lb/>
gen haben mag, gern verzeihen, weil er ohne<lb/>
&#x017F;eine Fehler i&#x017F;t, und mit einem treuen be&#x017F;cheide¬<lb/>
nen Herzen vor ihr &#x017F;teht, das kaum den Muth hat,<lb/>
ihr das fein&#x017F;te Goldblatt des Lobes lei&#x017F;e aufzuhau¬<lb/>
chen und welches &#x017F;chweigt auch mißver&#x017F;tanden und<lb/>
re&#x017F;ignirt auch ohne ver&#x017F;ucht zu haben..... Sie<lb/>
wird in ihrem Urtheile gerade &#x017F;o von den alten<lb/>
Landfra&#x0364;ulein abweichen wie ich von den jungen Land¬<lb/>
junkern, die mit da &#x017F;aßen. Denn Oefels Er&#x017F;chei¬<lb/>
nung nahm ihnen allen vorigen Witz und Ver&#x017F;tand<lb/>
und &#x017F;ein queck&#x017F;ilberner An&#x017F;tand goß alle ihre Glie¬<lb/>
der mit Blei aus; &#x017F;ie zogen in einer Falkenbaize,<lb/>
wo ein &#x017F;olcher Vogel die weiblichen Herzen &#x017F;tieß,<lb/>
ihre plumpen Schwingen an &#x017F;ich und bewunderten<lb/>
vermo&#x0364;ge der ma&#x0364;nnlichen Aufrichtigkeit &#x017F;tatt der <choice><sic>weib¬<lb/>
liche</sic><corr>weib¬<lb/>
lichen</corr></choice> Reize &#x017F;eine &#x2014; Hingegen <hi rendition="#aq">Jean Paul</hi> blieb wie<lb/>
er war und ließ &#x017F;ich nichts anhaben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0304] Tugenden trennen: ſie wird neben ſeiner Liebe zur Miniſterin ſeine zu ihr ſelber gar nicht ſehen und nicht glauben; ſie wird ihrer Seele keinen Oefel¬ ſchen ſentimentaliſchen Floſkeln oͤffnen, die wie das falſche Geld bald zu groß bald zu klein ſind — Sie wird vielmehr finden, an einem ehrlichen Jean Paul iſt mehr dran; ſie wird hoff' ich beſagtem Paul die Aehnlichkeit, die er mit Oefel in einigen Vorzuͤ¬ gen haben mag, gern verzeihen, weil er ohne ſeine Fehler iſt, und mit einem treuen beſcheide¬ nen Herzen vor ihr ſteht, das kaum den Muth hat, ihr das feinſte Goldblatt des Lobes leiſe aufzuhau¬ chen und welches ſchweigt auch mißverſtanden und reſignirt auch ohne verſucht zu haben..... Sie wird in ihrem Urtheile gerade ſo von den alten Landfraͤulein abweichen wie ich von den jungen Land¬ junkern, die mit da ſaßen. Denn Oefels Erſchei¬ nung nahm ihnen allen vorigen Witz und Verſtand und ſein queckſilberner Anſtand goß alle ihre Glie¬ der mit Blei aus; ſie zogen in einer Falkenbaize, wo ein ſolcher Vogel die weiblichen Herzen ſtieß, ihre plumpen Schwingen an ſich und bewunderten vermoͤge der maͤnnlichen Aufrichtigkeit ſtatt der weib¬ lichen Reize ſeine — Hingegen Jean Paul blieb wie er war und ließ ſich nichts anhaben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/304
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/304>, abgerufen am 12.05.2024.