Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.Diese Sparsamkeit legierte der unvollkommne Phantasie oder gewisse Züge, die gewisse seltnere Men¬
schen heben: der versäumt noch etwas größeres zu be¬ wundern -- die Kälte, womit das deutsche Publikum al¬ le Werke schätzt, die man mehr als einmal lesen muß. Armer Hamann in Königsberg; deine Mardochais ha¬ ben dich nicht gehenkt, sondern (was noch schlimmer in den deutschen Kreisen ist) gelesen. Dieſe Sparſamkeit legierte der unvollkommne Phantaſie oder gewiſſe Züge, die gewiſſe ſeltnere Men¬
ſchen heben: der verſäumt noch etwas größeres zu be¬ wundern — die Kälte, womit das deutſche Publikum al¬ le Werke ſchätzt, die man mehr als einmal leſen muß. Armer Hamann in Königsberg; deine Mardochais ha¬ ben dich nicht gehenkt, ſondern (was noch ſchlimmer in den deutſchen Kreiſen iſt) geleſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0271" n="235"/> <p>Dieſe Sparſamkeit legierte der unvollkommne<lb/> Karakter noch mit einigem Betrug. Er interpo¬<lb/> lierte die Guͤter, die er gut bekam und ſchrieb zu¬<lb/> ruͤck, er haͤtte ſie ſchlecht bekommen, ſie waͤren<lb/> ſo und ſo und koͤnnte ſie nur um den halben Preiß<lb/> brauchen. Ein Drittel des Preiſes ſpielt' er dann<lb/> meiſtens dem Kaufmann aus der entfernten Ta¬<lb/> ſche. Waaren, Faͤſſer, Saͤcke, die in ſeinem<lb/> Hauſe nur ein Abſteig-Quartier hatten und weiter<lb/> muſten, gaben ihm den Tranſito, und Rheinzoll<lb/> durch ein kleines Loch heraus, das er in ſie hin¬<lb/> einmachte, um das Wenige daraus ſich zu entrich¬<lb/> ten, was dem Fuhrmann aufgebuͤrdet werden<lb/> konnte wenns fehlte. — Er legte ein Muͤnzkabi¬<lb/> net oder Hoſpital fuͤr arme invalide amputierte<lb/> Goldſtuͤcke an; dieſen gab er den ehrlichen Namen,<lb/> den ſie verloren, wieder, und zwang ſeine Spinner<lb/> und Faktore, ſie als legitimiert anzunehmen: ein<lb/><note xml:id="note-0271" prev="#note-0270" place="foot" n="*)">Phantaſie oder gewiſſe Züge, die gewiſſe <hi rendition="#g">ſeltnere</hi> Men¬<lb/> ſchen heben: der verſäumt noch etwas größeres zu be¬<lb/> wundern — die Kälte, womit das deutſche Publikum <hi rendition="#g">al¬<lb/> le</hi> Werke ſchätzt, die man mehr als einmal leſen muß.<lb/> Armer <hi rendition="#g">Hamann</hi> in Königsberg; deine Mardochais ha¬<lb/> ben dich nicht gehenkt, ſondern (was noch ſchlimmer in<lb/> den deutſchen Kreiſen iſt) geleſen.<lb/></note> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [235/0271]
Dieſe Sparſamkeit legierte der unvollkommne
Karakter noch mit einigem Betrug. Er interpo¬
lierte die Guͤter, die er gut bekam und ſchrieb zu¬
ruͤck, er haͤtte ſie ſchlecht bekommen, ſie waͤren
ſo und ſo und koͤnnte ſie nur um den halben Preiß
brauchen. Ein Drittel des Preiſes ſpielt' er dann
meiſtens dem Kaufmann aus der entfernten Ta¬
ſche. Waaren, Faͤſſer, Saͤcke, die in ſeinem
Hauſe nur ein Abſteig-Quartier hatten und weiter
muſten, gaben ihm den Tranſito, und Rheinzoll
durch ein kleines Loch heraus, das er in ſie hin¬
einmachte, um das Wenige daraus ſich zu entrich¬
ten, was dem Fuhrmann aufgebuͤrdet werden
konnte wenns fehlte. — Er legte ein Muͤnzkabi¬
net oder Hoſpital fuͤr arme invalide amputierte
Goldſtuͤcke an; dieſen gab er den ehrlichen Namen,
den ſie verloren, wieder, und zwang ſeine Spinner
und Faktore, ſie als legitimiert anzunehmen: ein
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*) Phantaſie oder gewiſſe Züge, die gewiſſe ſeltnere Men¬
ſchen heben: der verſäumt noch etwas größeres zu be¬
wundern — die Kälte, womit das deutſche Publikum al¬
le Werke ſchätzt, die man mehr als einmal leſen muß.
Armer Hamann in Königsberg; deine Mardochais ha¬
ben dich nicht gehenkt, ſondern (was noch ſchlimmer in
den deutſchen Kreiſen iſt) geleſen.
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