Kinder und Weine und indianische Hühner genug hat, wäre gut daran; aber falsch: Hetz leidets nicht. Denn sobald die Suppe auf dem Tische raucht: so umschift Hetz den Tisch, springt in die Höhe, -- seine Schnauze liegt dann wasserpaß in einer Ebene mit der Rehkeule -- und bilt und sto¬ chert mit dem Kopfe an jedes Knie so sehr, beson¬ ders ans ordinirte, daß der Mann seines Orts wie in einem Fegefeuer fortschlucket und häufig nicht weiß, käuet er Salz oder Zucker. Es rette¬ te ihn nicht, daß er oft den Hund selber anboll: die Radikalkur dagegen wäre bloß die, Hetzen nie einen Bissen zu geben. Er hielts auch oft Tage¬ lang; aber in der nächsten Mahlzeit bewarf er aus Vergessen oder Unwillen den Plagegeist mit einem Knochen. Dieser einzige Knochen verhunzte den ganzen Hund: dem Seelenhirten ist besorg' ich so lange nicht zu helfen bis Hetz, der von selbst sich nicht ändert, etwann verreckt. Mir hin¬ gegen begegnet Hetz mit Vernunft und Schonung: warum? -- so lang ich an jenem Tische aß: schenkt' ich Hetzen keine Faser, ohne Ausnahme. Auf Hetze und Menschen wirkt Festigkeit allmächtig. Wer keinen Hund erziehen kann, Herr Rittmeister, kann
Kinder und Weine und indianiſche Huͤhner genug hat, waͤre gut daran; aber falſch: Hetz leidets nicht. Denn ſobald die Suppe auf dem Tiſche raucht: ſo umſchift Hetz den Tiſch, ſpringt in die Hoͤhe, — ſeine Schnauze liegt dann waſſerpaß in einer Ebene mit der Rehkeule — und bilt und ſto¬ chert mit dem Kopfe an jedes Knie ſo ſehr, beſon¬ ders ans ordinirte, daß der Mann ſeines Orts wie in einem Fegefeuer fortſchlucket und haͤufig nicht weiß, kaͤuet er Salz oder Zucker. Es rette¬ te ihn nicht, daß er oft den Hund ſelber anboll: die Radikalkur dagegen waͤre bloß die, Hetzen nie einen Biſſen zu geben. Er hielts auch oft Tage¬ lang; aber in der naͤchſten Mahlzeit bewarf er aus Vergeſſen oder Unwillen den Plagegeiſt mit einem Knochen. Dieſer einzige Knochen verhunzte den ganzen Hund: dem Seelenhirten iſt beſorg' ich ſo lange nicht zu helfen bis Hetz, der von ſelbſt ſich nicht aͤndert, etwann verreckt. Mir hin¬ gegen begegnet Hetz mit Vernunft und Schonung: warum? — ſo lang ich an jenem Tiſche aß: ſchenkt' ich Hetzen keine Faſer, ohne Ausnahme. Auf Hetze und Menſchen wirkt Feſtigkeit allmaͤchtig. Wer keinen Hund erziehen kann, Herr Rittmeiſter, kann
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0224"n="188"/>
Kinder und Weine und indianiſche Huͤhner genug<lb/>
hat, waͤre gut daran; aber falſch: Hetz leidets<lb/>
nicht. Denn ſobald die Suppe auf dem Tiſche<lb/>
raucht: ſo umſchift Hetz den Tiſch, ſpringt in die<lb/>
Hoͤhe, —ſeine Schnauze liegt dann waſſerpaß in<lb/>
einer Ebene mit der Rehkeule — und bilt und ſto¬<lb/>
chert mit dem Kopfe an jedes Knie ſo ſehr, beſon¬<lb/>
ders ans ordinirte, daß der Mann ſeines Orts<lb/>
wie in einem Fegefeuer fortſchlucket und haͤufig<lb/>
nicht weiß, kaͤuet er Salz oder Zucker. Es rette¬<lb/>
te ihn nicht, daß er oft den Hund ſelber anboll:<lb/>
die Radikalkur dagegen waͤre bloß die, Hetzen nie<lb/>
einen Biſſen zu geben. Er hielts auch oft Tage¬<lb/>
lang; aber in der naͤchſten Mahlzeit bewarf er aus<lb/>
Vergeſſen oder Unwillen den Plagegeiſt mit einem<lb/>
Knochen. Dieſer einzige Knochen verhunzte<lb/>
den ganzen Hund: dem Seelenhirten iſt beſorg'<lb/>
ich ſo lange nicht zu helfen bis Hetz, der von<lb/>ſelbſt ſich nicht aͤndert, etwann verreckt. Mir hin¬<lb/>
gegen begegnet Hetz mit Vernunft und Schonung:<lb/>
warum? —ſo lang ich an jenem Tiſche aß: ſchenkt'<lb/>
ich Hetzen keine Faſer, ohne Ausnahme. Auf Hetze<lb/>
und Menſchen wirkt <hirendition="#g">Feſtigkeit</hi> allmaͤchtig. Wer<lb/>
keinen Hund erziehen kann, Herr Rittmeiſter, kann<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[188/0224]
Kinder und Weine und indianiſche Huͤhner genug
hat, waͤre gut daran; aber falſch: Hetz leidets
nicht. Denn ſobald die Suppe auf dem Tiſche
raucht: ſo umſchift Hetz den Tiſch, ſpringt in die
Hoͤhe, — ſeine Schnauze liegt dann waſſerpaß in
einer Ebene mit der Rehkeule — und bilt und ſto¬
chert mit dem Kopfe an jedes Knie ſo ſehr, beſon¬
ders ans ordinirte, daß der Mann ſeines Orts
wie in einem Fegefeuer fortſchlucket und haͤufig
nicht weiß, kaͤuet er Salz oder Zucker. Es rette¬
te ihn nicht, daß er oft den Hund ſelber anboll:
die Radikalkur dagegen waͤre bloß die, Hetzen nie
einen Biſſen zu geben. Er hielts auch oft Tage¬
lang; aber in der naͤchſten Mahlzeit bewarf er aus
Vergeſſen oder Unwillen den Plagegeiſt mit einem
Knochen. Dieſer einzige Knochen verhunzte
den ganzen Hund: dem Seelenhirten iſt beſorg'
ich ſo lange nicht zu helfen bis Hetz, der von
ſelbſt ſich nicht aͤndert, etwann verreckt. Mir hin¬
gegen begegnet Hetz mit Vernunft und Schonung:
warum? — ſo lang ich an jenem Tiſche aß: ſchenkt'
ich Hetzen keine Faſer, ohne Ausnahme. Auf Hetze
und Menſchen wirkt Feſtigkeit allmaͤchtig. Wer
keinen Hund erziehen kann, Herr Rittmeiſter, kann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/224>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.