Gullivers Reisen) zu rechnen, die aus Achtung für ihre Lunge die Dinge selber statt ihrer Be¬ nennungen gebrauchten und allemal in Ta¬ schen und Säcken die Gegenstände mitbrachten, worüber sie sich unterhalten wollten. Aber ob man mir nicht eben das verdenken wird, daß ich Namen so oft brauche, die nicht viel moder¬ ner als die Sache selber sind und deren man sich in Cercles von Ton, so wie der Namen "Gott, Ewigkeit" stets enthält, darüber lässet sich dis¬ putiren. Inzwischen seh' ich doch auf der an¬ dern Seite auch, daß es mit der Sprache der Tugend wie mit der lateinischen ist, die man jetzt zwar nicht mehr gesprochen aber doch geschrieben duldet und die deswegen längst aus dem Mund in die Feder zog. Ich berufe mich überhaupt auf einsichtige Rezensenten, ob wir ästhetische Autores ohne tugendhafte Gesin¬ nungen, die wir als poetische Maschinen ge¬ brauchen so wie die fabelhafte Mythologie, nur eine Stunde auszukommen vermögen und ob wir nicht zum Schreiben hinlängliche Tugend haben
Gullivers Reiſen) zu rechnen, die aus Achtung fuͤr ihre Lunge die Dinge ſelber ſtatt ihrer Be¬ nennungen gebrauchten und allemal in Ta¬ ſchen und Saͤcken die Gegenſtaͤnde mitbrachten, woruͤber ſie ſich unterhalten wollten. Aber ob man mir nicht eben das verdenken wird, daß ich Namen ſo oft brauche, die nicht viel moder¬ ner als die Sache ſelber ſind und deren man ſich in Cercles von Ton, ſo wie der Namen »Gott, Ewigkeit» ſtets enthaͤlt, daruͤber laͤſſet ſich diſ¬ putiren. Inzwiſchen ſeh' ich doch auf der an¬ dern Seite auch, daß es mit der Sprache der Tugend wie mit der lateiniſchen iſt, die man jetzt zwar nicht mehr geſprochen aber doch geſchrieben duldet und die deswegen laͤngſt aus dem Mund in die Feder zog. Ich berufe mich uͤberhaupt auf einſichtige Rezenſenten, ob wir aͤſthetiſche Autores ohne tugendhafte Geſin¬ nungen, die wir als poetiſche Maſchinen ge¬ brauchen ſo wie die fabelhafte Mythologie, nur eine Stunde auszukommen vermoͤgen und ob wir nicht zum Schreiben hinlaͤngliche Tugend haben
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[VIII/0020]
Gullivers Reiſen) zu rechnen, die aus Achtung
fuͤr ihre Lunge die Dinge ſelber ſtatt ihrer Be¬
nennungen gebrauchten und allemal in Ta¬
ſchen und Saͤcken die Gegenſtaͤnde mitbrachten,
woruͤber ſie ſich unterhalten wollten. Aber ob
man mir nicht eben das verdenken wird, daß
ich Namen ſo oft brauche, die nicht viel moder¬
ner als die Sache ſelber ſind und deren man ſich
in Cercles von Ton, ſo wie der Namen »Gott,
Ewigkeit» ſtets enthaͤlt, daruͤber laͤſſet ſich diſ¬
putiren. Inzwiſchen ſeh' ich doch auf der an¬
dern Seite auch, daß es mit der Sprache der
Tugend wie mit der lateiniſchen iſt, die man
jetzt zwar nicht mehr geſprochen aber doch
geſchrieben duldet und die deswegen laͤngſt
aus dem Mund in die Feder zog. Ich berufe
mich uͤberhaupt auf einſichtige Rezenſenten, ob
wir aͤſthetiſche Autores ohne tugendhafte Geſin¬
nungen, die wir als poetiſche Maſchinen ge¬
brauchen ſo wie die fabelhafte Mythologie, nur
eine Stunde auszukommen vermoͤgen und ob wir
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/20>, abgerufen am 21.11.2024.
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