Aus Gustav wirkte die doppelte Zauberei auf mich, ich vergaß alle Zauberinnen des Konzerts über den Zauberer; aber ich ward am Ende traurig, daß ich dem Schönen mehr Blicke als Worte abzuschmei¬ cheln vermochte. Auf das Konzert gab' ich gleich an¬ dern Zuhörern ohnehin nur so lange Acht als ich selbst ein Mitarbeiter war oder als eine meiner Schülerin¬ nen spielte: denn die Scheerauer Konzerte sind blos in Musik gesetzte Stadtgespräche und prosaische Me¬ lodramen, worin die Sesselreden der Zuhörer wie ge¬ druckter Text unter der Komposition hinspringen. Uebrigens subskribiren wir auf unsere Konzerte mehr unserer Kinder als unserer selber wegen: die musika¬ lische Schuljugend bekömmt darin einen Tanz- und Tummelplatz ihrer Finger und von meinen artisti¬ schen Katechumenen kantschuet wöchentlich wenigstens einer den Flügel. Ich frische die Eltern dazu an und sage, in einem solchen Konzertsaal lernen die Klei¬ nen Takt, weil da nicht nur genug sondern auch überflüßig Takt ist, indem jeder dasige Musikoffiziant seinen eignen originellen pfeift, hackt, streicht, stampft, den erstlich kein anderer neben ihm pfeift, hackt, streicht, stampft und den er zweitens selber von Minute zu Minute umbessert. "Und wenn auch
das
Aus Guſtav wirkte die doppelte Zauberei auf mich, ich vergaß alle Zauberinnen des Konzerts uͤber den Zauberer; aber ich ward am Ende traurig, daß ich dem Schoͤnen mehr Blicke als Worte abzuſchmei¬ cheln vermochte. Auf das Konzert gab' ich gleich an¬ dern Zuhoͤrern ohnehin nur ſo lange Acht als ich ſelbſt ein Mitarbeiter war oder als eine meiner Schuͤlerin¬ nen ſpielte: denn die Scheerauer Konzerte ſind blos in Muſik geſetzte Stadtgeſpraͤche und proſaiſche Me¬ lodramen, worin die Seſſelreden der Zuhoͤrer wie ge¬ druckter Text unter der Kompoſition hinſpringen. Uebrigens ſubſkribiren wir auf unſere Konzerte mehr unſerer Kinder als unſerer ſelber wegen: die muſika¬ liſche Schuljugend bekoͤmmt darin einen Tanz- und Tummelplatz ihrer Finger und von meinen artiſti¬ ſchen Katechumenen kantſchuet woͤchentlich wenigſtens einer den Fluͤgel. Ich friſche die Eltern dazu an und ſage, in einem ſolchen Konzertſaal lernen die Klei¬ nen Takt, weil da nicht nur genug ſondern auch uͤberfluͤßig Takt iſt, indem jeder daſige Muſikoffiziant ſeinen eignen originellen pfeift, hackt, ſtreicht, ſtampft, den erſtlich kein anderer neben ihm pfeift, hackt, ſtreicht, ſtampft und den er zweitens ſelber von Minute zu Minute umbeſſert. „Und wenn auch
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Aus Guſtav wirkte die doppelte Zauberei auf mich,
ich vergaß alle Zauberinnen des Konzerts uͤber den
Zauberer; aber ich ward am Ende traurig, daß
ich dem Schoͤnen mehr Blicke als Worte abzuſchmei¬
cheln vermochte. Auf das Konzert gab' ich gleich an¬
dern Zuhoͤrern ohnehin nur ſo lange Acht als ich ſelbſt
ein Mitarbeiter war oder als eine meiner Schuͤlerin¬
nen ſpielte: denn die Scheerauer Konzerte ſind blos
in Muſik geſetzte Stadtgeſpraͤche und proſaiſche Me¬
lodramen, worin die Seſſelreden der Zuhoͤrer wie ge¬
druckter Text unter der Kompoſition hinſpringen.
Uebrigens ſubſkribiren wir auf unſere Konzerte mehr
unſerer Kinder als unſerer ſelber wegen: die muſika¬
liſche Schuljugend bekoͤmmt darin einen Tanz- und
Tummelplatz ihrer Finger und von meinen artiſti¬
ſchen Katechumenen kantſchuet woͤchentlich wenigſtens
einer den Fluͤgel. Ich friſche die Eltern dazu an und
ſage, in einem ſolchen Konzertſaal lernen die Klei¬
nen Takt, weil da nicht nur genug ſondern auch
uͤberfluͤßig Takt iſt, indem jeder daſige Muſikoffiziant
ſeinen eignen originellen pfeift, hackt, ſtreicht,
ſtampft, den erſtlich kein anderer neben ihm pfeift,
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/180>, abgerufen am 22.11.2024.
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