Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite
Extragedanken über Regentendaumen.

Nicht die Krone sondern das Dintenfaß drückt Für¬
sten,[...] Großmeister und Kommenthuren; nicht den
Szepter sondern die Feder führen sie mit so viel Be¬
schwerde, weil sie mit jenem bloß befehlen aber mit
dieser das Befohlne unterschreiben müssen. Ein Ka¬
binetsrath würde sich nicht wundern, wenn ein ge¬
quälter gekrönter Skribent sich wie römische Rekru¬
ten den Daumen amputierte, um nur vom ewigen
Namen Malen, wie diese vom Kriege loßzukommen.
Aber die regierenden und schreibenden Häupter be¬
halten den Daumen; sie sehen ein, daß das Landes¬
wohl ihr Eintunken begehrt, -- das wenige Unleser¬
liche auf Kabinetsordern, was man ihren Namen
nennt, macht wie eine Zauberformel Geldkästen, Her¬
zen, Thore, Kaufläden, Häfen auf und zu; der
schwarze Tropfe ihrer Feder dünget und treibet oder
zerbaizet ganze Fluren. Der Professor Hoppedizel
hatte, da er erster Lehrer der Moral beim Schee¬
rauischen Infanten war, einen guten Gedanken,
aber erst im letzten Monat: könnte der Oberhofmei¬
ster nicht dem Unterhofmeister befehlen, daß er den

Extragedanken uͤber Regentendaumen.

Nicht die Krone ſondern das Dintenfaß druͤckt Fuͤr¬
ſten,[…] Großmeiſter und Kommenthuren; nicht den
Szepter ſondern die Feder fuͤhren ſie mit ſo viel Be¬
ſchwerde, weil ſie mit jenem bloß befehlen aber mit
dieſer das Befohlne unterſchreiben muͤſſen. Ein Ka¬
binetsrath wuͤrde ſich nicht wundern, wenn ein ge¬
quaͤlter gekroͤnter Skribent ſich wie roͤmiſche Rekru¬
ten den Daumen amputierte, um nur vom ewigen
Namen Malen, wie dieſe vom Kriege loßzukommen.
Aber die regierenden und ſchreibenden Haͤupter be¬
halten den Daumen; ſie ſehen ein, daß das Landes¬
wohl ihr Eintunken begehrt, — das wenige Unleſer¬
liche auf Kabinetsordern, was man ihren Namen
nennt, macht wie eine Zauberformel Geldkaͤſten, Her¬
zen, Thore, Kauflaͤden, Haͤfen auf und zu; der
ſchwarze Tropfe ihrer Feder duͤnget und treibet oder
zerbaizet ganze Fluren. Der Profeſſor Hoppedizel
hatte, da er erſter Lehrer der Moral beim Schee¬
rauiſchen Infanten war, einen guten Gedanken,
aber erſt im letzten Monat: koͤnnte der Oberhofmei¬
ſter nicht dem Unterhofmeiſter befehlen, daß er den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0171" n="135"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Extragedanken u&#x0364;ber Regentendaumen.<lb/></head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">N</hi>icht die Krone &#x017F;ondern das Dintenfaß dru&#x0364;ckt Fu&#x0364;<lb/>
&#x017F;ten,<choice><sic>.</sic><corr/></choice> Großmei&#x017F;ter und Kommenthuren; nicht den<lb/>
Szepter &#x017F;ondern die Feder fu&#x0364;hren &#x017F;ie mit &#x017F;o viel Be¬<lb/>
&#x017F;chwerde, weil &#x017F;ie mit jenem bloß befehlen aber mit<lb/>
die&#x017F;er das Befohlne unter&#x017F;chreiben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Ein Ka¬<lb/>
binetsrath wu&#x0364;rde &#x017F;ich nicht wundern, wenn ein ge¬<lb/>
qua&#x0364;lter gekro&#x0364;nter Skribent &#x017F;ich wie ro&#x0364;mi&#x017F;che Rekru¬<lb/>
ten den Daumen amputierte, um nur vom ewigen<lb/>
Namen Malen, wie die&#x017F;e vom Kriege loßzukommen.<lb/>
Aber die regierenden und &#x017F;chreibenden Ha&#x0364;upter be¬<lb/>
halten den Daumen; &#x017F;ie &#x017F;ehen ein, daß das Landes¬<lb/>
wohl ihr Eintunken begehrt, &#x2014; das wenige Unle&#x017F;er¬<lb/>
liche auf Kabinetsordern, was man ihren Namen<lb/>
nennt, macht wie eine Zauberformel Geldka&#x0364;&#x017F;ten, Her¬<lb/>
zen, Thore, Kaufla&#x0364;den, Ha&#x0364;fen auf und zu; der<lb/>
&#x017F;chwarze Tropfe ihrer Feder du&#x0364;nget und treibet oder<lb/>
zerbaizet ganze Fluren. Der Profe&#x017F;&#x017F;or Hoppedizel<lb/>
hatte, da er er&#x017F;ter Lehrer der Moral beim Schee¬<lb/>
raui&#x017F;chen Infanten war, einen guten Gedanken,<lb/>
aber er&#x017F;t im letzten Monat: ko&#x0364;nnte der Oberhofmei¬<lb/>
&#x017F;ter nicht dem Unterhofmei&#x017F;ter befehlen, daß er den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0171] Extragedanken uͤber Regentendaumen. Nicht die Krone ſondern das Dintenfaß druͤckt Fuͤr¬ ſten, Großmeiſter und Kommenthuren; nicht den Szepter ſondern die Feder fuͤhren ſie mit ſo viel Be¬ ſchwerde, weil ſie mit jenem bloß befehlen aber mit dieſer das Befohlne unterſchreiben muͤſſen. Ein Ka¬ binetsrath wuͤrde ſich nicht wundern, wenn ein ge¬ quaͤlter gekroͤnter Skribent ſich wie roͤmiſche Rekru¬ ten den Daumen amputierte, um nur vom ewigen Namen Malen, wie dieſe vom Kriege loßzukommen. Aber die regierenden und ſchreibenden Haͤupter be¬ halten den Daumen; ſie ſehen ein, daß das Landes¬ wohl ihr Eintunken begehrt, — das wenige Unleſer¬ liche auf Kabinetsordern, was man ihren Namen nennt, macht wie eine Zauberformel Geldkaͤſten, Her¬ zen, Thore, Kauflaͤden, Haͤfen auf und zu; der ſchwarze Tropfe ihrer Feder duͤnget und treibet oder zerbaizet ganze Fluren. Der Profeſſor Hoppedizel hatte, da er erſter Lehrer der Moral beim Schee¬ rauiſchen Infanten war, einen guten Gedanken, aber erſt im letzten Monat: koͤnnte der Oberhofmei¬ ſter nicht dem Unterhofmeiſter befehlen, daß er den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/171
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/171>, abgerufen am 28.11.2024.