rauer, womit sie sich ein so kurzes Leben verkürz¬ ten und ein so saueres versäuerten --, ,mich eckelts von ihnen gelobt zu werden', sagt' er nicht bloß sondern er erboste auch gern mit dem schlimmsten Anstrich seiner reinsten Sitten alles von einem Thore zum andern: indeß vermocht' er aus Her¬ zens Weichheit mehr nicht zu ärgern als die ganze Stadt in grosso, einen allein nie. Deswegen grassierte er am zweiten Morgen seiner Ankunft wie eine Influenza von einem Hause zum andern und bat alle Muhmen, Basen, Blutsfeinde, Leute die ihn nichts angiengen als die liebe Chri¬ stenheit, z. B. den Flöß-Inspector Peuschel, den Lotto-Direktor Eckert mit seinen vier Spätbirnen, von Töchtern und was, nur Unterscheerauschen Athem hatte, das bat er sämmtlich zusammen auf den Nachmittag, auf eine Reiseseltenheit nämlich auf ein herbarium vivum, das er zeigen werde: "es sei kein lebendiges Kräuterbuch sondern etwas ganz besondres und von den Gletschern wär's meiste her."
Diese kamen eben jezt alle -- nicht weil sie das geringste nach einem Kräuterbuch fragten, son¬ dern weil sie es doch sehen wollten und die Haus¬ haltung des unbeweibten Doktors nebenbei. Ich muß
rauer, womit ſie ſich ein ſo kurzes Leben verkuͤrz¬ ten und ein ſo ſaueres verſaͤuerten —, ‚mich eckelts von ihnen gelobt zu werden', ſagt' er nicht bloß ſondern er erboſte auch gern mit dem ſchlimmſten Anſtrich ſeiner reinſten Sitten alles von einem Thore zum andern: indeß vermocht' er aus Her¬ zens Weichheit mehr nicht zu aͤrgern als die ganze Stadt in groſſo, einen allein nie. Deswegen graſſierte er am zweiten Morgen ſeiner Ankunft wie eine Influenza von einem Hauſe zum andern und bat alle Muhmen, Baſen, Blutsfeinde, Leute die ihn nichts angiengen als die liebe Chri¬ ſtenheit, z. B. den Floͤß-Inſpector Peuſchel, den Lotto-Direktor Eckert mit ſeinen vier Spaͤtbirnen, von Toͤchtern und was, nur Unterſcheerauſchen Athem hatte, das bat er ſaͤmmtlich zuſammen auf den Nachmittag, auf eine Reiſeſeltenheit naͤmlich auf ein herbarium vivum, das er zeigen werde: „es ſei kein lebendiges Kraͤuterbuch ſondern etwas ganz beſondres und von den Gletſchern waͤr's meiſte her.“
Dieſe kamen eben jezt alle — nicht weil ſie das geringſte nach einem Kraͤuterbuch fragten, ſon¬ dern weil ſie es doch ſehen wollten und die Haus¬ haltung des unbeweibten Doktors nebenbei. Ich muß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0160"n="124"/>
rauer, womit ſie ſich ein ſo kurzes Leben verkuͤrz¬<lb/>
ten und ein ſo ſaueres verſaͤuerten —, ‚mich eckelts<lb/>
von ihnen gelobt zu werden', ſagt' er nicht bloß<lb/>ſondern er erboſte auch gern mit dem ſchlimmſten<lb/>
Anſtrich ſeiner reinſten Sitten alles von <choice><sic>eimem</sic><corr>einem</corr></choice><lb/>
Thore zum andern: indeß vermocht' er aus Her¬<lb/>
zens Weichheit mehr nicht zu aͤrgern als die ganze<lb/>
Stadt in groſſo, einen allein nie. Deswegen<lb/>
graſſierte er am zweiten Morgen ſeiner Ankunft<lb/>
wie eine Influenza von einem Hauſe zum andern<lb/>
und bat alle Muhmen, Baſen, Bluts<hirendition="#g">feinde</hi>,<lb/>
Leute die ihn nichts angiengen als die liebe Chri¬<lb/>ſtenheit, z. B. den Floͤß-Inſpector Peuſchel, den<lb/>
Lotto-Direktor Eckert mit ſeinen vier Spaͤtbirnen,<lb/>
von Toͤchtern und was, nur Unterſcheerauſchen Athem<lb/>
hatte, das bat er ſaͤmmtlich zuſammen auf den<lb/>
Nachmittag, auf eine Reiſeſeltenheit naͤmlich auf<lb/>
ein <hirendition="#aq">herbarium vivum</hi>, das er zeigen werde: „es<lb/>ſei kein lebendiges Kraͤuterbuch ſondern etwas ganz<lb/>
beſondres und von den Gletſchern waͤr's meiſte her.“</p><lb/><p>Dieſe kamen eben jezt alle — nicht weil ſie<lb/>
das geringſte nach einem Kraͤuterbuch fragten, ſon¬<lb/>
dern weil ſie es doch ſehen wollten und die Haus¬<lb/>
haltung des unbeweibten Doktors nebenbei. Ich muß<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[124/0160]
rauer, womit ſie ſich ein ſo kurzes Leben verkuͤrz¬
ten und ein ſo ſaueres verſaͤuerten —, ‚mich eckelts
von ihnen gelobt zu werden', ſagt' er nicht bloß
ſondern er erboſte auch gern mit dem ſchlimmſten
Anſtrich ſeiner reinſten Sitten alles von einem
Thore zum andern: indeß vermocht' er aus Her¬
zens Weichheit mehr nicht zu aͤrgern als die ganze
Stadt in groſſo, einen allein nie. Deswegen
graſſierte er am zweiten Morgen ſeiner Ankunft
wie eine Influenza von einem Hauſe zum andern
und bat alle Muhmen, Baſen, Blutsfeinde,
Leute die ihn nichts angiengen als die liebe Chri¬
ſtenheit, z. B. den Floͤß-Inſpector Peuſchel, den
Lotto-Direktor Eckert mit ſeinen vier Spaͤtbirnen,
von Toͤchtern und was, nur Unterſcheerauſchen Athem
hatte, das bat er ſaͤmmtlich zuſammen auf den
Nachmittag, auf eine Reiſeſeltenheit naͤmlich auf
ein herbarium vivum, das er zeigen werde: „es
ſei kein lebendiges Kraͤuterbuch ſondern etwas ganz
beſondres und von den Gletſchern waͤr's meiſte her.“
Dieſe kamen eben jezt alle — nicht weil ſie
das geringſte nach einem Kraͤuterbuch fragten, ſon¬
dern weil ſie es doch ſehen wollten und die Haus¬
haltung des unbeweibten Doktors nebenbei. Ich muß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/160>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.