Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.Man komme noch so oft in gewisse Häuser, so Der zarte Amandus bewohnte den ganzen Man komme noch ſo oft in gewiſſe Haͤuſer, ſo Der zarte Amandus bewohnte den ganzen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0157" n="121"/> <p>Man komme noch ſo oft in gewiſſe Haͤuſer, ſo<lb/> erblickt man alles revidirt und umgeſetzt und um¬<lb/> geſtuͤrzt; im Hoppedizelſchen am meiſten — des<lb/> Rittmeiſters Winterlager ſah ſtets aus wie ein Gar¬<lb/> tenhaus im Winter. Menſchen von feinem Gefuͤhl<lb/> bezaubern durch eine gewiſſe zaͤrtliche Aufmerkſam¬<lb/> keit auf <hi rendition="#g">kleine</hi> Beduͤrfniſſe des andern, durch ein<lb/> Errath ſeiner leiſeſten Wuͤnſche, durch eine ſtete<lb/> Aufopferung ihrer eignen, durch Gefaͤlligkeiten, de¬<lb/> ren ſeidenes Geflecht ſich feſter und ſanfter um un¬<lb/> ſer Herz herumlegt als das ſchneidende Liebesſeil ei¬<lb/> ner großen Wohlthat. — Hoppedizel bediente ſich<lb/> weder des Flechtens noch Seiles und fragte nach<lb/> Nichts. Es war nicht Abweſenheit des feinen Ge¬<lb/> fuͤhls ſondern Ungehorſam gegen daſſelbe, daß er —<lb/> wenn der Rittmeiſter die erſte Woche Logis und<lb/> Kommodator verfluchte — dazu lachte.</p><lb/> <p>Der zarte Amandus bewohnte den ganzen<lb/> Abend das Siechbett und Guſtav kroch an ſeine<lb/> Seite, um mit ihm zu ſpielen. Wie heitern uns<lb/> im ſteinigten Arabien der haſſenden Welt Kinder<lb/> wieder auf, die einander lieben und deren gute<lb/> kleine Augen und kleine Lippen und kleine Haͤnde<lb/> noch keine Maſken ſind!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0157]
Man komme noch ſo oft in gewiſſe Haͤuſer, ſo
erblickt man alles revidirt und umgeſetzt und um¬
geſtuͤrzt; im Hoppedizelſchen am meiſten — des
Rittmeiſters Winterlager ſah ſtets aus wie ein Gar¬
tenhaus im Winter. Menſchen von feinem Gefuͤhl
bezaubern durch eine gewiſſe zaͤrtliche Aufmerkſam¬
keit auf kleine Beduͤrfniſſe des andern, durch ein
Errath ſeiner leiſeſten Wuͤnſche, durch eine ſtete
Aufopferung ihrer eignen, durch Gefaͤlligkeiten, de¬
ren ſeidenes Geflecht ſich feſter und ſanfter um un¬
ſer Herz herumlegt als das ſchneidende Liebesſeil ei¬
ner großen Wohlthat. — Hoppedizel bediente ſich
weder des Flechtens noch Seiles und fragte nach
Nichts. Es war nicht Abweſenheit des feinen Ge¬
fuͤhls ſondern Ungehorſam gegen daſſelbe, daß er —
wenn der Rittmeiſter die erſte Woche Logis und
Kommodator verfluchte — dazu lachte.
Der zarte Amandus bewohnte den ganzen
Abend das Siechbett und Guſtav kroch an ſeine
Seite, um mit ihm zu ſpielen. Wie heitern uns
im ſteinigten Arabien der haſſenden Welt Kinder
wieder auf, die einander lieben und deren gute
kleine Augen und kleine Lippen und kleine Haͤnde
noch keine Maſken ſind!
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/157>, abgerufen am 23.07.2024. |